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Wenn man in einzeln F?llen den Maler und Dichter miteinander vergleichen will, so mu? man vor allen Dingen wohl zusehen, ob sie beide ihre v?llige Freiheit gehabt haben, ob sie ohne allen ?u?erlichen Zwang auf die h?chste Wirkung ihrer Kunst haben arbeiten k?nnen.
Ein solcher ?u?erlicher Zwang war dem alten Künstler ?fters die Religion. Sein Werk, zur Verehrung und Anbetung bestimmt, konnte nicht allezeit so vollkommen sein, als wenn er einzig das Vergnügen des Betrachters dabei zur Absicht gehabt h?tte. Der Aberglaube überladete die G?tter mit Sinnbildern, und die sch?nsten von ihnen wurden nicht überall als die sch?nsten verehret.
Bacchus stand in seinem Tempel zu Lemnos, aus welchem die fromme Hypsipyle ihren Vater unter der Gestalt des Gottes rettete 1), mit H?rnern, und so erschien er ohne Zweifel in allen seinen Tempeln, denn die H?rner waren ein Sinnbild, welches sein Wesen mit bezeichnete. Nur der freie Künstler, der seinen Bacchus für keinen Tempel arbeitete, lie? dieses Sinnbild weg; und wenn wir, unter den noch übrigen Statuen von ihm, keine mit H?rnern finden 2), so ist dieses vielleicht ein Beweis, da? es keine von den geheiligten sind, in welchen er wirklich verehret worden. Es ist ohnedem h?chst wahrscheinlich, da? auf diese letzteren die Wut der frommen Zerst?rer in den ersten Jahrhunderten des Christentums vornehmlich gefallen ist, die nur hier und da ein Kunstwerk schonte, welches durch keine Anbetung verunreiniget war.
{1. Valerius Flaccus lib. II. Argonaut. v. 265-273.
Serta patri, juvenisque comam vestesque Lyaei
Induit, et medium curru locat; aeraque circum
Tympanaque et plenas tacita formidine cistas.
Ipsa sinus hederisque ligat famularibus artus:
Pampineamque quatit ventosis ictibus hastam,
Respiciens; teneat virides velatus habenas
Ut pater, et nivea tumeant ut cornua mitra,
Et sacer ut Bacchum referat scyphus.
{2. Der sogenannte Bacchus in dem Mediceischen Garten zu Rom (beim Montfaucon Suppl. aux Ant. Expl. T. I. p. 154) hat kleine aus der Stirne hervorsprossende H?rner; aber es gibt Kenner, die ihn eben darum lieber zu einem Faune machen wollen. In der Tat sind solche natürliche H?rner eine Sch?ndung der menschlichen Gestalt, und k?nnen nur Wesen geziemen, denen man eine Art von Mittelgestalt zwischen Menschen und Tier erteilte. Auch ist die Stellung, der lüsterne Blick nach der über sich gehaltenen Traube, einem Begleiter des Weingottes anst?ndiger als dem Gotte selbst. Ich erinnere mich hier, was Clemens Alexandrinus von Alexander dem Gro?en sagt (Protrept. p. 48. Edit. Pott.) Ebouleto de kai AlexandroV AmmwnoV uioV einai dokein, kai kerasjoroV anaplattesJai proV tvn agalmatopoivn, to kalon anJrwpou ubrisai speudwn kerati. Es war Alexanders ausdrücklicher Wille, da? ihn der Bildhauer mit H?rnern vorstellen sollte: er war es gern zufrieden, da? die menschliche Sch?nheit in ihm mit H?rnern beschimpft ward, wenn man ihn nur eines g?ttlichen Ursprunges zu sein glaubte.}
Das Wort tumeant, in der letzten ohn' einen Zeile, scheinet übrigens anzuzeigen, da? man die H?rner des Bacchus nicht so klein gemacht, als sich Spence einbildet.}
Da indes unter den aufgegrabenen Antiken sich Stücke sowohl von der einen als von der andern Art finden, so wünschte ich, da? man den Namen der Kunstwerke nur denjenigen beilegen m?chte, in welchen sich der Künstler wirklich als Künstler zeigen k?nnen, bei welchen die Sch?nheit seine erste und letzte Absicht gewesen. Alles andere, woran sich zu merkliche Spuren gottesdienstlicher Verabredungen zeigen, verdienet diesen Namen nicht, weil die Kunst hier nicht um ihrer selbst willen gearbeitet, sondern ein blo?es Hilfsmittel der Religion war, die bei den sinnlichen Vorstellungen, die sie ihr aufgab, mehr auf das Bedeutende als auf das Sch?ne sahe; ob ich schon dadurch nicht sagen will, da? sie nicht auch ?fters alles Bedeutende in das Sch?ne gesetzt, oder aus Nachsicht für die Kunst und den feinern Geschmack des Jahrhunderts, von jenem so viel nachgelassen habe, da? dieses allein zu herrschen scheinen k?nnen.
Macht man keinen solchen Unterschied, so werden der Kenner und der Antiquar best?ndig miteinander im Streite liegen, weil sie einander nicht verstehen. Wenn jener, nach seiner Einsicht in die Bestimmung der Kunst, behauptet, da? dieses oder jenes der alte Künstler nie gemacht habe, n?mlich als Künstler nicht, freiwillig nicht: so wird dieser es dahin ausdehnen, da? es auch weder die Religion, noch sonst eine au?er dem Gebiete der Kunst liegende Ursache, von dem Künstler habe machen lassen, von dem Künstler n?mlich als Handarbeiter. Er wird also mit der ersten mit der besten Figur den Kenner widerlegen zu k?nnen glauben, die dieser ohne Bedenken, aber zu gro?em ?rgernisse der gelehrten Welt, wieder zu dem Schutte verdammt, woraus sie gezogen worden 3).
{3. Als ich oben behauptete, da? die alten Künstler keine Furien gebildet h?tten, war es mir nicht entfallen, da? die Furien mehr als einen Tempel gehabt, die ohne ihre Statuen gewi? nicht gewesen sind. In dem zu Cerynea fand Pausanias dergleichen von Holz; sie waren weder gro?, noch sonst besonders merkwürdig; es schien, da? die Kunst, die sich nicht an ihnen zeigen k?nnen, es an den Bilds?ulen ihrer Priesterinnen, die in der Halle des Tempels standen, einbringen wollen, als welche von Stein, und von sehr sch?ner Arbeit waren. (Pausanias Achaic. cap. XXV. p. 589. Edit. Kuhn.) Ich hatte ebensowenig vergessen, da? man K?pfe von ihnen auf einem Abraxas, den Chiffletius bekannt gemacht, und auf einer Lampe beim Licetus zu sehen glaube. (Dissertat. sur les Furies par Banier, Mémoires de l'Académie des Inscript. T. V. p. 48.) Auch sogar die Urne von hetrurischer Arbeit beim Gorius (Tabl. 151 Musei Etrusci), auf welcher Orestes und Pylades erscheinen, wie ihnen zwei Furien mit Fackeln zusetzen, war mir nicht unbekannt. Allein ich redete von Kunstwerken, von welchen ich alle diese Stücke ausschlie?en zu k?nnen glaubte. Und w?re auch das letztere nicht sowohl als die übrigen davon auszuschlie?en, so dienet es von einer andern Seite, mehr meine Meinung zu best?rken, als zu widerlegen. Denn so wenig auch die hetrurischen Künstler überhaupt auf das Sch?ne gearbeitet, so scheinen sie doch auch die Furien nicht sowohl durch schreckliche Gesichtszüge, als vielmehr durch ihre Tracht und Attributa ausgedrückt zu haben. Diese sto?en mit so ruhigem Gesichte dem Orestes und Pylades ihre Fackeln unter die Augen, da? sie fast scheinen, sie nur im Scherze erschrecken zu wollen. Wie fürchterlich sie dem Orestes und Pylades vorgekommen, l??t sich nur aus ihrer Furcht, keineswegs aber aus der Bildung der Furien selbst abnehmen. Es sind also Furien, und sind auch keine; sie verrichten das Amt der Furien, aber nicht in der Verstellung von Grimm und Wut, welche wir mit ihrem Namen zu verbinden gewohnt sind; nicht mit der Stirne, die, wie Catull sagt, expirantis praeportat pectoris iras.-Noch kürzlich glaubte Herr Winckelmann, auf einem Karniole in dem Stoschischen Kabinette, eine Furie im Laufe mit fliegendem Rocke und Haaren, und einem Dolche in der Hand, gefunden zu haben. (Bibliothek der sch. Wiss. V Band S. 30.) Der Herr von Hagedorn riet hierauf auch den Künstlern schon an, sich diese Anzeige zunutze zu machen und die Furien in ihren Gem?lden so vorzustellen. (Betrachtungen über die Malerei S. 222.) Allein Herr Winckelmann hat hernach diese seine Entdeckung selbst wiederum ungewi? gemacht, weil er nicht gefunden, da? die Furien, anstatt mit Fackeln, auch mit Dolchen von den Alten bewaffnet worden. (Descript. des pierres gravées p. 84.) Ohne Zweifel erkennt er also die Figuren, auf Münzen der St?dte Lyrba und Mastaura, die Spanheim für Furien ausgibt (Les Césars de Julien p. 44) nicht dafür, sondern für eine Hekate triformis; denn sonst f?nde sich allerdings hier eine Furie, die in jeder Hand einen Dolch führet, und es ist sonderbar, da? eben diese auch in blo?en ungebundenen Haaren erscheint, die an den andern mit einem Schleier bedeckt sind. Doch gesetzt auch, es w?re wirklich so, wie es dem Herrn Winckelmann zuerst vorgekommen: so würde es auch mit diesem geschnittenen Steine eben die Bewandtnis haben, die es mit der hetrurischen Urne hat, es w?re denn, da? sich wegen Kleinheit der Arbeit gar keine Gesichtszüge erkennen lie?en. überdem geh?ren auch die geschnittenen Steine überhaupt, wegen ihres Gebrauchs als Siegel, schon mit zur Bildersprache, und ihre Figuren m?gen ?fterer eigensinnige Symbola der Besitzer, als freiwillige Werke der Künstler sein.}
Gegenteils kann man sich aber auch den Einflu? der Religion auf die Kunst zu gro? vorstellen. Spence gibt hiervon ein sonderbares Beispiel. Er fand beim Ovid, da? Vesta in ihrem Tempel unter keinem pers?nlichen Bilde verehret worden; und dieses dünkte ihm genug, daraus zu schlie?en, da? es überhaupt keine Bilds?ulen von dieser G?ttin gegeben habe, und da? alles, was man bisher dafür gehalten, nicht die Vesta, sondern eine Vestalin vorstelle 4). Eine seltsame Folge! Verlor der Künstler darum sein Recht, ein Wesen, dem die Dichter eine bestimmte Pers?nlichkeit geben, das sie zur Tochter des Saturnus und der Ops machen, das sie in Gefahr kommen lassen, unter die Mi?handlungen des Priapus zu fallen, und was sie sonst von ihr erz?hlen, verlor er, sage ich, darum sein Recht, dieses Wesen auch nach seiner Art zu personifieren, weil es in einem Tempel nur unter dem Sinnbilde des Feuers verehret ward? Denn Spence begehet dabei noch diesen Fehler, da? er das, was Ovid nur von einem gewissen Tempel der Vesta, n?mlich von dem zu Rom sagt5), auf alle Tempel dieser G?ttin ohne Unterschied, und auf ihre Verehrung überhaupt, ausdehnet. Wie sie in diesem Tempel zu Rom verehret ward, so ward sie nicht überall verehret, so war sie selbst nicht in Italien verehret worden, ehe ihn Numa erbaute. Numa wollte keine Gottheit in menschlicher oder tierischer Gestalt vorgestellet wissen; und darin bestand ohne Zweifel die Verbesserung, die er in dem Dienste der Vesta machte, da? er alle pers?nliche Vorstellung von ihr daraus verbannte. Ovid selbst lehret uns, da? es vor den Zeiten des Numa Bilds?ulen der Vesta in ihrem Tempel gegeben habe, die, als ihre Priesterin Sylvia Mutter ward, vor Scham die jungfr?ulichen H?nde vor die Augen hoben6). Da? sogar in den Tempeln, welche die G?ttin au?er der Stadt in den r?mischen Provinzen hatte, ihre Verehrung nicht v?llig von der Art gewesen, als die Numa verordnet, scheinen verschiedene alte Inschriften zu beweisen, in welchen eines Pontificis Vestae gedacht wird7). Auch zu Korinth war ein Tempel der Vesta ohne alle Bilds?ule, mit einem blo?en Altare, worauf der G?ttin geopfert ward8). Aber hatten die Griechen darum gar keine Statuen der Vesta? Zu Athen war eine im Prytaneo, neben der Statue des Friedens9). Die Jasseer rühmten von einer, die bei ihnen unter freiem Himmel stand, da? weder Schnee noch Regen jemals auf sie falle10). Plinius gedenkt einer sitzenden, von der Hand des Skopas, die sich zu seiner Zeit in den Servilianischen G?rten zu Rom befand11). Zugegeben, da? es uns itzt schwer wird, eine blo?e Vestalin von einer Vesta selbst zu unterscheiden, beweiset dieses, da? sie auch die Alten nicht unterscheiden k?nnen, oder wohl gar nicht unterscheiden wollen? Gewisse Kennzeichen sprechen offenbar mehr für die eine, als für die andere. Das Zepter, die Fackel, das Palladium, lassen sich nur in der Hand der G?ttin vermuten. Das Tympanum, welches ihr Codinus beileget, k?mmt ihr vielleicht nur als der Erde zu; oder Codinus wu?te selbst nicht recht, was er sahe12).
{4. Polymetis Dial. VII. p. 81.}
{5. Fast. lib. VI. v. 295-98.
Esse diu stultus Vestae simulacra putavi:
Mox didici curvo nulla subesse tholo.
Ignis inexstinctus templo celatur in illo.
Effigiem nullam Vesta, nec ignis habet.
Ovid redet nur von dem Gottesdienste der Vesta in Rom, nur von dem Tempel, den ihr Numa daselbst erbauet hatte, von dem er kurz zuvor (v. 259. 260) sagt:
Regis opus placidi, quo non metuentius ullum
Numinis ingenium terra Sabina tulit.}
{6. Fast. lib. III. v. 45. 46.
Sylvia fit mater: Vestae simulacra feruntur
Virgineas oculis opposuisse manus.
Auf diese Weise h?tte Spence den Ovid mit sich selbst vergleichen sollen. Der Dichter redet von verschiedenen Zeiten. Hier von den Zeiten vor dem Numa, dort von den Zeiten nach ihm. In jenen ward sie in Italien unter pers?nlichen Vorstellungen verehret, so wie sie in Troja war verehret worden, von wannen Aeneas ihren Gottesdienst mit herübergebracht hatte.
-Manibus vittas, Vestamque potentem,
Aeternumque adytis effert penetralibus ignem:
sagt Virgil von dem Geiste des Hektors, nachdem er dem Aeneas zur Flucht geraten. Hier wird das ewige Feuer von der Vesta selbst, oder ihrer Bilds?ule, ausdrücklich unterschieden. Spence mu? die r?mischen Dichter zu seinem Behufe doch noch nicht aufmerksam genug durchgelesen haben, weil ihm diese Stelle entwischt ist.}
{7. Lipsius de Vesta et Vestalibus cap. 13.}
{8. Pausanias Corinth. cap. XXXV. p. 198. Edit. Kuh.}
{9. Idem Attic. cap. XVIII. p. 41.}
{10. Polyb. Hist. lib. XVI. §. 11. Op. T. II. p. 443. Edit. Ernest.}
{11. Plinius lib. XXXVI sec. 4. p. 727. Edit. Hard. Scopas fecit-Vestam sedentem laudatam in Servilianis hortis. Diese Stelle mu? Lipsius in Gedanken gehabt haben als er (de Vesta cap. 3.) schrieb: Plinius Vestam sedentem effingi solitam ostendit, a stabilitate. Allein was Plinius von einem einzeln Stücke des Skopas sagt, h?tte er nicht für einen allgemein angenommenen Charakter ausgeben sollen. Er merkt selbst an, da? auf den Münzen die Vesta ebensooft stehend als sitzend erscheine. Allein er verbessert dadurch nicht den Plinius, sondern seine eigne falsche Einbildung.}
{12. Georg. Codinus de Originib. Constant. Edit. Venet. p. 12. Thn ghn legousin Estian, kai plattousi authn gunaika, tumpanon bastazousan, epeidh touV anemouV h gh uj' eathn sugkleiei. Suidas, aus ihm, oder beide aus einem ?ltern, sagt unter dem Worte Estia eben dieses. "Die Erde wird unter dem Namen Vesta als eine Frau gebildet, welche ein Tympanon tr?gt, weil sie die Winde in sich verschlossen h?lt." Die Ursache ist ein wenig abgeschmackt. Es würde sich eher haben h?ren lassen, wenn er gesagt h?tte, da? ihr deswegen ein Tympanon beigegeben werde, weil die Alten zum Teil geglaubt, da? ihre Figur damit übereinkomme; schma authV tumpanoeideV einai. (Plutarchus de placitis philos. cap. 10. id. de facie in orbe Lunae.) Wo sich aber Codinus nur nicht entweder in der Figur, oder in dem Namen, oder gar in beiden geirret hat. Er wu?te vielleicht, was er die Vesta tragen sahe, nicht besser zu nennen, als ein Tympanum; oder h?rte es ein Tympanum nennen, und konnte sich nichts anders dabei gedenken, als das Instrument, welches wir eine Heerpauke nennen. Tympana waren aber auch eine Art von R?dern:
Hinc radios trivere rotis, hinc tympana plaustris
Agricolae-
(Virgilius Georgic. lib. II. v. 444.) Und einem solchen Rade scheinet mir das, was sich an der Vesta des Fabretti zeiget (Ad tabulam Iliadis p. 339.) und dieser Gelehrte für eine Handmühle h?lt, sehr ?hnlich zu sein.}