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Es sei Fabel oder Geschichte, da? die Liebe den ersten Versuch in den bildenden Künsten gemacht habe: so viel ist gewi?, da? sie den gro?en alten Meistern die Hand zu führen nicht müde geworden. Denn wird itzt die Malerei überhaupt als die Kunst, welche K?rper auf Fl?chen nachahmet, in ihrem ganzen Umfange betrieben: so hatte der weise Grieche ihr weit engere Grenzen gesetzet, und sie blo? auf die Nachahmung sch?ner K?rper eingeschr?nket.
Sein Künstler schilderte nichts als das Sch?ne; selbst das gemeine Sch?ne, das Sch?ne niedrer Gattungen, war nur sein zuf?lliger Vorwurf, seine übung, seine Erholung. Die Vollkommenheit des Gegenstandes selbst mu?te in seinem Werke entzücken; er war zu gro?, von seinen Betrachtern zu verlangen, da? sie sich mit dem blo?en kalten Vergnügen, welches aus der getroffenen ?hnlichkeit, aus der Erw?gung seiner Geschicklichkeit entspringet, begnügen sollten; an seiner Kunst war ihm nichts lieber, dünkte ihm nichts edler, als der Endzweck der Kunst.
"Wer wird dich malen wollen, da dich niemand sehen will", sagt ein alter Epigrammatist 1) über einen h?chst ungestaltenen Menschen. Mancher neuere Künstler würde sagen: "Sei so ungestalten, wie m?glich; ich will dich doch malen. Mag dich schon niemand gern sehen: so soll man doch mein Gem?lde gern sehen; nicht insofern es dich vorstellt, sondern insofern es ein Beweis meiner Kunst ist, die ein solches Scheusal so ?hnlich nachzubilden wei?." {1. Antiochus. (Antholog. lib. II. cap. 43). Harduin über den Plinius (lib. 35. sect. 36 p. m. 698) legt dieses Epigramm einem Piso bei. Es findet sich aber unter allen griechischen Epigrammatisten keiner dieses Namens.}
Freilich ist der Hang zu dieser üppigen Prahlerei mit leidigen Geschicklichkeiten, die durch den Wert ihrer Gegenst?nde nicht geadelt werden, zu natürlich, als da? nicht auch die Griechen ihren Pauson, ihren Pir?ikus sollten gehabt haben. Sie hatten sie; aber sie lie?en ihnen strenge Gerechtigkeit widerfahren. Pauson, der sich noch unter dem Sch?nen der gemeinen Natur hielt, dessen niedriger Geschmack das Fehlerhafte und H??liche an der menschlichen Bildung am liebsten ausdrückte 2), lebte in der ver?chtlichsten Armut 3). Und Pir?ikus, der Barbierstuben, schmutzige Werkst?tte, Esel und Küchenkr?uter, mit allem dem Flei?e eines niederl?ndischen Künstlers malte, als ob dergleichen Dinge in der Natur so viel Reiz h?tten, und so selten zu erblicken w?ren, bekam den Zunamen des Rhyparographen 4), des Kotmalers; obgleich der wollüstige Reiche seine Werke mit Gold aufwog, um ihrer Nichtigkeit auch durch diesen eingebildeten Wert zu Hilfe zu kommen.
{2. Jungen Leuten, befiehlt daher Aristoteles, mu? man seine Gem?lde nicht zeigen, um ihre Einbildungskraft, so viel m?glich, von allen Bildern des H??lichen rein zu halten. (Polit. lib. VIII. cap. 5. p. 526. Edit. Conring.) Herr Boden will zwar in dieser Stelle anstatt Pauson, Pausanias gelesen wissen, weil von diesem bekannt sei, da? er unzüchtige Figuren gemalt habe (de umbra poetica, comment. I. p. XIII.). Als ob man es erst von einem philosophischen Gesetzgeber lernen mü?te, die Jugend von dergleichen Reizungen der Wollust zu entfernen. Er h?tte die bekannte Stelle in der Dichtkunst (cap. II. ) nur in Vergleichung ziehen dürfen, um seine Vermutung zurückzubehalten. Es gibt Ausleger (z. E. Kühn, über den ?lian Var. Hist. lib. IV. cap. 3), welche den Unterschied, den Aristoteles daselbst zwischen dem Polygnotus, Dionysius und Pauson angibt, darin setzen, da? Polygnotus G?tter und Helden, Dionysius Menschen, und Pauson Tiere gemalt habe. Sie malten allesamt menschliche Figuren; und da? Pauson einmal ein Pferd malte, beweiset noch nicht, da? er ein Tiermaler gewesen, wofür ihn Herr Boden h?lt. Ihren Rang bestimmten die Grade des Sch?nen, die sie ihren menschlichen Figuren gaben, und Dionysius konnte nur deswegen nichts als Menschen malen, und hie? nur darum vor allen andern der Anthropograph, weil er der Natur zu sklavisch folgte, und sich nicht bis zum Ideal erheben konnte, unter welchem G?tter und Helden zu malen, ein Religionsverbrechen gewesen w?re.}
{3. Aristophanes Plut. v. 602. et Acharnens. v. 854.}
{4. Plinius lib. XXXV. sect. 37. Edit. Hard.}
Die Obrigkeit selbst hielt es ihrer Aufmerksamkeit nicht für unwürdig, den Künstler mit Gewalt in seiner wahren Sph?re zu erhalten. Das Gesetz der Thebaner, welches ihm die Nachahmung ins Sch?nere befahl und die Nachahmung ins H??lichere bei Strafe verbot, ist bekannt. Es war kein Gesetz wider den Stümper, wofür es gemeiniglich, und selbst vom Junius 5), gehalten wird. Es verdammte die griechischen Ghezzi; den unwürdigen Kunstgriff, die ?hnlichkeit durch übertreibung der h??lichem Teile des Urbildes zu erreichen; mit einem Worte, die Karikatur.
{5. De pictura vet. lib. II. cap. IV. § 1.}
Aus eben dem Geist des Sch?nen war auch das Gesetz der Hellanodiken geflossen. Jeder olympische Sieger erhielt eine Statue; aber nur dem dreimaligen Sieger, ward eine ikonische gesetzet 6). Der mittelm??igen Portr?ts sollten unter den Kunstwerken nicht zu viel werden. Denn obschon auch das Portr?t ein Ideal zul??t, so mu? doch die ?hnlichkeit darüber herrschen; es ist das Ideal eines gewissen Menschen, nicht das Ideal eines Menschen überhaupt.
{6. Plinius lib. XXXIV. sect. 9.}
Wir lachen, wenn wir h?ren, da? bei den Alten auch die Künste bürgerlichen Gesetzen unterworfen gewesen. Aber wir haben nicht immer recht, wenn wir lachen. Unstreitig müssen sich die Gesetze über die Wissenschaften keine Gewalt anma?en; denn der Endzweck der Wissenschaften ist Wahrheit. Wahrheit ist der Seele notwendig; und es wird Tyrannei, ihr in Befriedigung dieses wesentlichen Bedürfnisses den geringsten Zwang anzutun. Der Endzweck der Künste hingegen ist Vergnügen; und das Vergnügen ist entbehrlich. Also darf es allerdings von dem Gesetzgeber abhangen, welche Art von Vergnügen, und in welchem Ma?e er jede Art desselben verstatten will.
Die bildenden Künste insbesondere, au?er dem unfehlbaren Einflusse, den sie auf den Charakter der Nation haben, sind einer Wirkung f?hig, welche die n?here Aufsicht des Gesetzes heischet. Erzeugten sch?ne Menschen sch?ne Bilds?ulen, so wirkten diese hinwiederum auf jene zurück, und der Staat hatte sch?nen Bilds?ulen sch?ne Menschen mit zu verdanken. Bei uns scheinet sich die zarte Einbildungskraft der Mütter nur in Ungeheuern zu ?u?ern.
Aus diesem Gesichtspunkte glaube ich in gewissen alten Erz?hlungen, die man geradezu als Lügen verwirft, etwas Wahres zu erblicken. Den Müttern des Aristomenes, des Aristodamas, Alexanders des Gro?en, des Scipio, des Augustus, des Galerius, tr?umte in ihrer Schwangerschaft allen, als ob sie mit einer Schlange zu tun h?tten. Die Schlange war ein Zeichen der Gottheit 7); und die sch?nen Bilds?ulen und Gem?lde eines Bacchus, eines Apollo, eines Merkurius, eines Herkules, waren selten ohne eine Schlange. Die ehrlichen Weiber hatten des Tages ihre Augen an dem Gotte geweidet, und der verwirrende Traum erweckte das Bild des Tieres. So rette ich den Traum, und gebe die Auslegung preis, welche der Stolz ihrer S?hne und die Unversch?mtheit des Schmeichlers davon machten. Denn eine Ursache mu?te es wohl haben, warum die ehebrecherische Phantasie nur immer eine Schlange war.
{7. Man irret sich, wenn man die Schlange nur für das Kennzeichen einer medizinischen Gottheit h?lt, wie Spence, Polymetis p. 132. Justinus Martyr (Apolog. II. pag. 55. Edit. Sylburg.) sagt ausdrücklich: para panti tvn nomizomenwn par' umin Jevn, ojiV sumbolon mega kai musthrion anagrajetai; und es w?re leicht eine Reihe von Monumenten anzuführen, wo die Schlange Gottheiten begleitet, welche nicht die geringste Beziehung auf die Gesundheit haben.}
Doch ich gerate aus meinem Wege. Ich wollte blo? festsetzen, da? bei den Alten die Sch?nheit das h?chste Gesetz der bildenden Künste gewesen sei.
Und dieses festgesetzt, folget notwendig, da? alles andere, worauf sich die bildenden Künste zugleich mit erstrecken k?nnen, wenn es sich mit der Sch?nheit nicht vertr?gt, ihr g?nzlich weichen, und wenn es sich mit ihr vertr?gt, ihr wenigstens untergeordnet sein müssen.
Ich will bei dem Ausdrucke stehen bleiben. Es gibt Leidenschaften und Grade von Leidenschaften, die sich in dem Gesichte durch die h??lichsten Verzerrungen ?u?ern, und den ganzen K?rper in so gewaltsame Stellungen setzen, da? alle die sch?nen Linien, die ihn in einem ruhigern Stande umschreiben, verloren gehen. Dieser enthielten sich also die alten Künstler entweder ganz und gar, oder setzten sie auf geringere Grade herunter, in welchen sie eines Ma?es von Sch?nheit f?hig sind.
Wut und Verzweiflung sch?ndete keines von ihren Werken. Ich darf behaupten, da? sie nie eine Furie gebildet haben 8).
{8. Man gehe alle die Kunstwerke durch, deren Plinius und Pausanias und andere gedenken; man übersehe die noch itzt vorhandenen alten Statuen, Basreliefs, Gem?lde: und man wird nirgends eine Furie finden. Ich nehme diejenigen Figuren aus; die mehr zur Bildersprache, als zur Kunst geh?ren, dergleichen die auf den Münzen vornehmlich sind. Indes h?tte Spence, da er Furien haben mu?te, sie doch lieber von den Münzen erborgen sollen, (Seguini Numis. p. 178. Spanhem. de Praest. Numism. Dissert. XIII. p. 639. Les Cesars de Julien, par Spanheim p. 48.), als da? er sie durch einen witzigen Einfall in ein Werk bringen will, in welchem sie ganz gewi? nicht sind. Er sagt in seinem "Polymetis" (Dial. XVI. p. 272.): "Obschon die Furien in den Werken der alten Künstler etwas sehr Seltenes sind, so findet sich doch eine Geschichte, in der sie durchg?ngig von ihnen angebracht werden. Ich meine den Tod des Meleager, als in dessen Vorstellung auf Basreliefs sie ?fters die Alth?a aufmuntern und antreiben, den unglücklichen Brand, von welchem das Leben ihres einzigen Sohnes abhing, dem Feuer zu übergeben. Denn auch ein Weib würde in ihrer Rache so weit nicht gegangen sein, h?tte der Teufel nicht ein wenig zugeschüret. In einem von diesen Basreliefs, bei dem Bellori (in den Admirandis), sieht man zwei Weiber, die mit der Alth?a am Altare stehen, und allem Ansehen nach Furien sein sollen. Denn wer sonst als Furien, h?tte einer solchen Handlung beiwohnen wollen? Da? sie für diesen Charakter nicht schrecklich genug sind, liegt ohne Zweifel an der Abzeichnung. Das Merkwürdigste aber auf diesem Werke ist die runde Scheibe, unten gegen die Mitte, auf welcher sich offenbar der Kopf einer Furie zeiget. Vielleicht war es die Furie, an die Alth?a, so oft sie eine üble Tat vornahm, ihr Gebet richtete, und vornehmlich itzt zu richten alle Ursache hatte usw."-Durch solche Wendungen kann man aus allem alles machen. "Wer sonst", fragt Spence, "als Furien, h?tte einer solchen Handlung beiwohnen wollen?" Ich antworte: Die M?gde der Alth?a, welche das Feuer anzünden und unterhalten mu?ten. Ovid sagt: (Metamorph. VIII. v. 460. 461.)
Protulit hunc (stipitem) genitrix, taedasque in fragmina poni
Imperat, et positis inimicos admovet ignes.
Dergleichen taedas, lange Stücke von Kien, welche die Alten zu Fackeln brauchten, haben auch wirklich beide Personen in den H?nden, und die eine hat eben ein solches Stück zerbrochen, wie ihre Stellung anzeigt. Auf der Scheibe, gegen die Mitte des Werkes, erkenne ich die Furie ebensowenig. Es ist ein Gesicht, welches einen heftigen Schmerz ausdrückt. Ohne Zweifel soll es der Kopf des Meleagers selbst sein. (Metamorph. I. c. v. 515.)
Inscius atque absens flamma Meleagros in illa
Uritur: et caecis torreri viscera sentit
Ignibus: et magnos superat virtute dolores.
Der Künstler brauchte ihn gleichsam zum übergange in den folgenden Zeitpunkt der n?mlichen Geschichte, welcher den sterbenden Meleager gleich daneben zeigt. Was Spence zu Furien macht, h?lt Montfaucon für Parzen, (Antiqu. expl. T. I. p. 162) den Kopf auf der Scheibe ausgenommen, den er gleichfalls für eine Furie ausgibt. Bellori selbst (Admirand. Tab. 77) l??t es unentschieden, ob es Parzen oder Furien sind. Ein Oder, welches genugsam zeiget, da? sie weder das eine noch das andere sind. Auch Montfaucons übrige Auslegung sollte genauer sein. Die Weibsperson, welche neben dem Bette sich auf den Ellebogen stützet, h?tte er Kassandra und nicht Atalanta nennen sollen. Atalanta ist die, welche, mit dem Rücken gegen das Bette gekehret, in einer traurigen Stellung sitzet. Der Künstler hat sie mit vielem Verstande von der Familie abgewendet, weil sie nur die Geliebte, nicht die Gemahlin des Meleagers war, und ihre Betrübnis über ein Unglück, das sie selbst unschuldigerweise veranlasset hatte, die Anverwandten erbittern mu?te.}
Zorn setzten sie auf Ernst herab. Bei dem Dichter war es der zornige Jupiter, welcher den Blitz schleuderte; bei dem Künstler nur der ernste.
Jammer ward in Betrübnis gemildert. Und wo diese Milderung nicht stattfinden konnte, wo der Jammer ebenso verkleinernd als entstellend gewesen w?re,-was tat da Timanthes? Sein Gem?lde von der Opferung der Iphigenia, in welchem er allen Umstehenden den ihnen eigentümlich zukommenden Grad der Traurigkeit erteilte, das Gesicht des Vaters aber, welches den allerh?chsten h?tte zeigen sollen, verhüllete, ist bekannt, und es sind viel artige Dinge darüber gesagt worden. Er hatte sich, sagt dieser 9), in den traurigen Physiognomien so ersch?pft, da? er dem Vater eine noch traurigere geben zu k?nnen verzweifelte. Er bekannte dadurch, sagt jener 10), da? der Schmerz eines Vaters bei dergleichen Vorf?llen über allen Ausdruck sei. Ich für mein Teil sehe hier weder die Unverm?genheit des Künstlers, noch die Unverm?genheit der Kunst. Mit dem Grade des Affekts verst?rken sich auch die ihm entsprechenden Züge des Gesichts; der h?chste Grad hat die allerentschiedensten Züge, und nichts ist der Kunst leichter, als diese auszudrücken. Aber Timanthes kannte die Grenzen, welche die Grazien seiner Kunst setzen. Er wu?te, da? sich der Jammer, welcher dem Agamemnon als Vater zukam, durch Verzerrungen ?u?ert, die allezeit h??lich sind. Soweit sich Sch?nheit und Würde mit dem Ausdrucke verbinden lie?, so weit trieb er ihn. Das H??liche w?re er gern übergangen, h?tte er gern gelindert; aber da ihm seine Komposition beides nicht erlaubte, was blieb ihm anders übrig, als es zu verhüllen?-Was er nicht malen durfte, lie? er erraten. Kurz, diese Verhüllung ist ein Opfer, das der Künstler der Sch?nheit brachte. Sie ist ein Beispiel, nicht wie man den Ausdruck über die Schranken der Kunst treiben, sondern wie man ihn dem ersten Gesetze der Kunst, dem Gesetze der Sch?nheit, unterwerfen soll.
{9. Plinius lib. XXXV. sect. 36. Cum moestos pinxisset omnes, praecipue patruum, et tristitiae omnem imaginem consumpsisset, patris ipsius vultum velavit, quem digne non poterat ostendere.}
{10. Summi moeroris acerbitatem arte exprimi non posse confessus est. Valerius Maximus lib. VIII. cap. 11.}
Und dieses nun auf den Laokoon angewendet, so ist die Ursache klar, die ich suche. Der Meister arbeitete auf die h?chste Sch?nheit, unter den angenommenen Umst?nden des k?rperlichen Schmerzes. Dieser, in aller seiner entstellenden Heftigkeit, war mit jener nicht zu verbinden. Er mu?te ihn also herabsetzen; er mu?te Schreien in Seufzen mildern; nicht weil das Schreien eine unedle Seele verr?t, sondern weil es das Gesicht auf eine ekelhafte Weise verstellet. Denn man rei?e dem Laokoon in Gedanken nur den Mund auf, und urteile. Man lasse ihn schreien, und sehe. Es war eine Bildung, die Mitleid einfl??te, weil sie Sch?nheit und Schmerz zugleich zeigte; nun ist es eine h??liche, eine abscheuliche Bildung geworden, von der man gern sein Gesicht verwendet, weil der Anblick des Schmerzes Unlust erregt, ohne da? die Sch?nheit des leidenden Gegenstandes diese Unlust in das sü?e Gefühl des Mitleids verwandeln kann.
Die blo?e weite ?ffnung des Mundes,-beiseitegesetzt, wie gewaltsam und ekel auch die übrigen Teile des Gesichts dadurch verzerret und verschoben werden,-ist in der Malerei ein Fleck und in der Bildhauerei eine Vertiefung, welche die widrigste Wirkung von der Welt tut. Montfaucon bewies wenig Geschmack, als er einen alten b?rtigen Kopf, mit aufgerissenem Munde, für einen Orakel erteilenden Jupiter ausgab 11). Mu? ein Gott schreien, wenn er die Zukunft er?ffnet? Würde ein gef?lliger Umri? des Mundes seine Rede verd?chtig machen? Auch glaube ich es dem Valerius nicht, da? Ajax in dem nur gedachten Gem?lde des Timanthes sollte geschrien haben 12). Weit schlechtere Meister aus den Zeiten der schon verfallenen Kunst lassen auch nicht einmal die wildesten Barbaren, wenn sie unter dem Schwerte des Siegers Schrecken und Todesangst ergreift, den Mund bis zum Schreien ?ffnen 13).
{11. Antiquit. expl. T. I. p. 50.}
{12. Er gibt n?mlich die von dem Timanthes wirklich ausgedrückten Grade der Traurigkeit so an: Calchantem tristem, moestum Ulyssem, clamantem Ajacem, lamentantem Menelaum.-Der Schreier Ajax mü?te eine h??liche Figur gewesen sein; und da weder Cicero noch Quintilian in ihren Beschreibungen dieses Gem?ldes seiner gedenken, so werde ich ihn um so viel eher für einen Zusatz halten dürfen, mit dem es Valerius aus seinem Kopfe bereichern wollen.}
{13. Bellorii Admiranda. Tab. 11. 12.}
Es ist gewi?, da? diese Herabsetzung des ?u?ersten k?rperlichen Schmerzes auf einen niedrigern Grad von Gefühl, an mehrern alten Kunstwerken sichtbar gewesen. Der leidende Herkules in dem vergifteten Gewande, von der Hand eines alten unbekannten Meisters, war nicht der Sophokleische, der so gr??lich schrie, da? die lokrischen Felsen, und die eub?ischen Vorgebirge davon ert?nten. Er war mehr finster, als wild 14). Der Philoktet des Pythagoras Leontinus schien dem Betrachter seinen Schmerz mitzuteilen, welche Wirkung der geringste gr??liche Zug verhindert h?tte. Man dürfte fragen, woher ich wisse, da? dieser Meister eine Bilds?ule des Philoktet gemacht habe. Aus einer Stelle des Plinius, die meine Verbesserung nicht erwartet haben sollte, so offenbar verf?lscht oder verstümmelt ist sie 15).
{14. Plinius libr. XXXIV, sect. 19.}
{15. Eundem, n?mlich den Myro, lieset man bei dem Plinius (libr. XXXIV. sect. 19) vicit et Pythagoras Leontinus, qui fecit stadiodromon Astylon, qui Olympiae ostenditur: et Libyn puerum tenentem tabulam, eodem loco, et mala ferentem nudum. Syracusis autem claudicantem: cujus hulceris dolorem sentire etiam spectantes videntur. Man erw?ge die letzten Worte etwas genauer. Wird nicht darin offenbar von einer Person gesprochen, die wegen eines schmerzhaften Geschwüres überall bekannt ist? Cujus hulceris usw. Und dieses cujus sollte auf das blo?e claudicantem, und das claudicantem vielleicht auf das noch entferntere puerum gehen? Niemand hatte mehr recht, wegen eines solchen Geschwüres bekannter zu sein, als Philoktet. Ich lese also anstatt claudicantem, Philoctetem, oder halte wenigstens dafür, da? das letztere durch das erstere gleichlautende Wort verdrungen worden, und man beides zusammen Philoctetem claudicantem lesen müsse. Sophokles l??t ihn stibon kai anagkan erpein, und es mu?te ein Hinken verursachen, da? er auf den kranken Fu? weniger herzhaft auftreten konnte.}