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Von der ?hnlichkeit, welche die Poesie und Malerei miteinander haben, macht sich Spence die allerseltsamsten Begriffe. Er glaubet, da? beide Künste bei den Alten so genau verbunden gewesen, da? sie best?ndig Hand in Hand gegangen, und der Dichter nie den Maler, der Maler nie den Dichter aus den Augen verloren habe.
Da? die Poesie die weitere Kunst ist, da? ihr Sch?nheiten zu Gebote stehen, welche die Malerei nicht zu erreichen vermag; da? sie ?fters Ursachen haben kann, die unmalerischen Sch?nheiten den malerischen vorzuziehen: daran scheinet er gar nicht gedacht zu haben, und ist daher bei dem geringsten Unterschiede, den er unter den alten Dichtern und Artisten bemerkt, in einer Verlegenheit, die ihn auf die wunderlichsten Ausflüchte von der Welt bringt.
Die alten Dichter geben dem Bacchus meistenteils H?rner. Es ist also doch wunderbar, sagt Spence, da? man diese H?rner an seinen Statuen so selten erblickt 1). Er f?llt auf diese, er f?llt auf eine andere Ursache; auf die Unwissenheit der Antiquare, auf die Kleinheit der H?rner selbst, die sich unter den Trauben und Efeubl?ttern, dem best?ndigen Kopfputze des Gottes, m?chten verkrochen haben. Er windet sich um die wahre Ursache herum, ohne sie zu argw?hnen. Die H?rner des Bacchus waren keine natürliche H?rner, wie sie es an den Faunen und Satyren waren. Sie waren ein Stirnschmuck, den er aufsetzen und ablegen konnte.
{1. Polymetis Dial. IX. p. 129.}
-Tibi, cum sine cornibus adstas
Virgineum caput est:-
hei?t es in der feierlichen Anrufung des Bacchus beim Ovid 2). Er konnte sich also auch ohne H?rner zeigen; und zeigte sich ohne H?rner, wenn er in seiner jungfr?ulichen Sch?nheit erscheinen wollte. In dieser wollten ihn nun auch die Künstler darstellen, und mu?ten daher alle Zus?tze von übler Wirkung an ihm vermeiden. Ein solcher Zusatz w?ren die H?rner gewesen, die an dem Diadem befestiget waren, wie man an einem Kopfe in dem k?niglichen Kabinett zu Berlin sehen kann 3). Ein solcher Zusatz war das Diadem selbst, welches die sch?ne Stirne verdeckte, und daher an den Statuen des Bacchus ebenso selten vork?mmt, als die H?rner, ob es ihm schon, als seinem Erfinder, von den Dichtern ebenso oft beigeleget wird. Dem Dichter gaben die H?rner und das Diadem feine Anspielungen auf die Taten und den Charakter des Gottes: dem Künstler hingegen wurden sie Hinderungen gr??ere Sch?nheiten zu zeigen, und wenn Bacchus, wie ich glaube eben darum den Beinamen Biformis, DimorjoV, hatte, weil er sich sowohl sch?n als schrecklich zeigen konnte, so war es wohl natürlich, da? der Künstler diejenige von seiner Gestalt am liebsten w?hlte, die der Bestimmung seiner Kunst am meisten entsprach.
{2. Metamorph. lib. IV. v. 19. 20.}
{3. Begeri Thes. Brandenb. Vol. III. p. 240.}
Minerva und Juno schleudern bei den r?mischen Dichtern ?fters den Blitz. Aber warum nicht auch in ihren Abbildungen? fragt Spence 4). Er antwortet: es war ein besonderes Vorrecht dieser zwei G?ttinnen, wovon man den Grund vielleicht erst in den samothracischen Geheimnissen erfuhr; weil aber die Artisten bei den alten R?mern als gemeine Leute betrachtet, und daher zu diesen Geheimnissen selten zugelassen wurden, so wu?ten sie ohne Zweifel nichts davon, und was sie nicht wu?ten, konnten sie nicht vorstellen. Ich m?chte Spencen dagegen fragen: arbeiteten diese gemeinen Leute vor ihren Kopf, oder auf Befehl Vornehmerer, die von den Geheimnissen unterrichtet sein konnten? Stunden die Artisten auch bei den Griechen in dieser Verachtung? Waren die r?mischen Artisten nicht mehrenteils geborne Griechen? Und so weiter.
{4. Polymetis Dial. VI. p. 63.}
Statius und Valerius Flaccus schildern eine erzürnte Venus, und mit so schrecklichen Zügen, da? man sie in diesem Augenblicke eher für eine Furie, als für die G?ttin der Liebe halten sollte. Spence siehet sich in den alten Kunstwerken vergebens nach einer solchen Venus um. Was schlie?t er daraus? Da? dem Dichter mehr erlaubt ist als dem Bildhauer und Maler? Das h?tte er daraus schlie?en sollen; aber er hat es einmal für allemal als einen Grundsatz angenommen, da? in einer poetischen Beschreibung nichts gut sei, was unschicklich sein würde, wenn man es in einem Gem?lde, oder an einer Statue vorstellt 5). Folglich müssen die Dichter gefehlt haben. "Statius und Valerius sind aus einer Zeit, da die r?mische Poesie schon in ihrem Verfalle war. Sie zeigen auch hierin ihren verderbten Geschmack, und ihre schlechte Beurteilungskraft. Bei den Dichtern aus einer bessern Zeit wird man dergleichen Versto?ungen wider den malerischen Ausdruck nicht finden 6)."
{5. Polymetis Dialogue XX. p. 31 1. Scarce any thing can be good in a poetical description, which would appear absurd, if represented in a statue or picture.}
{6. Polymetis Dial. VII. p. 74.}
So etwas zu sagen, braucht es wahrlich wenig Unterscheidungskraft. Ich will indes mich weder des Statius noch des Valerius in diesem Fall annehmen, sondern nur eine allgemeine Anmerkung machen. Die G?tter und geistigen Wesen, wie sie der Künstler vorstellet, sind nicht v?llig ebendieselben, welche der Dichter braucht. Bei dem Künstler sind sie personifierte Abstrakta, die best?ndig die n?mliche Charakterisierung behalten müssen, wenn sie erkenntlich sein sollen. Bei dem Dichter hingegen sind sie wirkliche handelnde Wesen, die über ihren allgemeinen Charakter noch andere Eigenschaften und Affekten haben, welche nach Gelegenheit der Umst?nde vor jenen vorstechen k?nnen. Venus ist dem Bildhauer nichts als die Liebe; er mu? ihr also alle die sittsame versch?mte Sch?nheit, alle die holden Reize geben, die uns an geliebten Gegenst?nden entzücken, und die wir daher mit in den abgesonderten Begriff der Liebe bringen. Die geringste Abweichung von diesem Ideal l??t uns sein Bild verkennen. Sch?nheit, aber mit mehr Majest?t als Scham, ist schon keine Venus, sondern eine Juno. Reize, aber mehr gebieterische, m?nnliche, als holde Reize, geben eine Minerva statt einer Venus. Vollends eine zürnende Venus, eine Venus von Rache und Wut getrieben, ist dem Bildhauer ein wahrer Widerspruch; denn die Liebe, als Liebe, zürnet nie, r?chet sich nie. Bei dem Dichter hingegen ist Venus zwar auch die Liebe, aber die G?ttin der Liebe, die au?er diesem Charakter, ihre eigne Individualit?t hat, und folglich der Triebe des Abscheues ebenso f?hig sein mu?, als der Zuneigung. Was Wunder also, da? sie bei ihm in Zorn und Wut entbrennet, besonders wenn es die beleidigte Liebe selbst ist, die sie darein versetzet?
Es ist zwar wahr, da? auch der Künstler in zusammengesetzten Werken, die Venus, oder jede andere Gottheit, au?er ihrem Charakter, als ein wirklich handelndes Wesen, so gut wie der Dichter, einführen kann. Aber alsdenn müssen wenigstens ihre Handlungen ihrem Charakter nicht widersprechen, wenn sie schon keine unmittelbare Folgen desselben sind. Venus übergibt ihrem Sohne die g?ttlichen Waffen: diese Handlung kann der Künstler, sowohl als der Dichter, vorstellen. Hier hindert ihn nichts, der Venus alle die Anmut und Sch?nheit zu geben, die ihr als G?ttin der Liebe zukommen; vielmehr wird sie eben dadurch in seinem Werke um so viel kenntlicher. Allein wenn sieh Venus an ihren Ver?chtern, den M?nnern zu Lemnos, r?chen will, in vergr??erter wilder Gestalt, mit fleckigten Wangen, in verwirrtem Haare, die Pechfackel ergreift, ein schwarzes Gewand um sich wirft, und auf einer finstern Wolke stürmisch herabf?hrt: so ist das kein Augenblick für den Künstler, weil er sie durch nichts in diesem Augenblicke kenntlich machen kann. Es ist nur ein Augenblick für den Dichter, weil dieser das Vorrecht hat, einen andern, in welchem die G?ttin ganz Venus ist, so nahe, so genau damit zu verbinden, da? wir die Venus auch in der Furie nicht aus den Augen verlieren. Dieses tut Flaccus:
-Neque enim alma videri
Jam tumet; aut tereti crinem subnectitur auro,
Sidereos diffusa sinus. Eadem effera et ingens
Et maculis suffecta genas; pinumque sonantem
Virginibus Stygiis, nigramque simillima pallam 7).
{7. Argonaut. lib. II. v. 102-106.}
Eben dieses tut Statius:
Illa Paphon veterem centumque altaria linquens,
Nec vultu nec crine prior, solvisse jugalem
Ceston, et Idalias procul ablegasse volucres
Fertur. Erant certe, media qui noctis in umbra
Divam, alios ignes majoraque tela gerentem,
Tartarias inter thalamis volitasse sorores
Vulgarent: utque implicitis arcana domorum
Anguibus et saeva formidine cuncta replerit
Limina 8).-
{8. Thebaid. lib. V. v. 61-69.}
Oder man kann sagen: der Dichter allein besitzet das Kunststück, mit negativen Zügen zu schildern, und durch Vermischung dieser negativen mit positiven Zügen, zwei Erscheinungen in eine zu bringen. Nicht mehr die holde Venus; nicht mehr das Haar mit goldenen Spangen geheftet; von keinem azurnen Gewande umflattert; ohne ihren Gürtel; mit andern Flammen, mit gr??ern Pfeilen bewaffnet; in Gesellschaft ihr ?hnlicher Furien. Aber weil der Artist dieses Kunststückes entbehren mu?, soll sich seiner darum auch der Dichter enthalten? Wenn die Malerei die Schwester der Dichtkunst sein will: so sei sie wenigstens keine eifersüchtige Schwester; und die jüngere untersage der ?lteren nicht alle den Putz, der sie selbst nicht kleidet.