Chapter 7 No.7

Wenn man sagt, der Künstler ahme dem Dichter, oder der Dichter ahme dem Künstler nach, so kann dieses zweierlei bedeuten. Entweder der eine macht das Werk des andern zu dem wirklichen Gegenstande seiner Nachahmung, oder sie haben beide einerlei Gegenst?nde der Nachahmung, und der eine entlehnet von dem andern die Art und Weise es nachzuahmen.

Wenn Virgil das Schild des Aeneas beschreibst, so ahmet er dem Künstler, welcher dieses Schild gemacht hat, in der ersten Bedeutung nach. Das Kunstwerk, nicht das was auf dem Kunstwerke vorgestellet worden, ist der Gegenstand seiner Nachahmung, und wenn er auch schon das mitbeschreibt, was man darauf vorgestellet sieht, so beschreibt er es doch nur als ein Teil des Schildes, und nicht als die Sache selbst. Wenn Virgil hingegen die Gruppe Laokoon nachgeahmet h?tte, so würde dieses eine Nachahmung von der zweiten Gattung sein. Denn er würde nicht diese Gruppe, sondern das, was diese Gruppe vorstellet, nachgeahmt, und nur die Züge seiner Nachahmung von ihr entlehnt haben.

Bei der ersten Nachahmung ist der Dichter Original, bei der andern ist er Kopist. Jene ist ein Teil der allgemeinen Nachahmung, welche das Wesen seiner Kunst ausmacht, und er arbeitet als Genie, sein Vorwurf mag ein Werk anderer Künste, oder der Natur sein. Diese hingegen setzt ihn g?nzlich von seiner Würde herab; anstatt der Dinge selbst ahmet er ihre Nachahmungen nach, und gibt uns kalte Erinnerungen von Zügen eines fremden Genies, für ursprüngliche Züge seines eigenen.

Wenn indes Dichter und Künstler diejenigen Gegenst?nde, die sie miteinander gemein haben, nicht selten aus dem n?mlichen Gesichtspunkte betrachten müssen: so kann es nicht fehlen, da? ihre Nachahmungen nicht in vielen Stücken übereinstimmen sollten, ohne da? zwischen ihnen selbst die geringste Nachahmung oder Beeiferung gewesen. Diese übereinstimmungen k?nnen bei zeitverwandten Künstlern und Dichtern, über Dinge, welche nicht mehr vorhanden sind, zu wechselsweisen Erl?uterungen führen; allein dergleichen Erl?uterungen dadurch aufzustutzen suchen, da? man aus dem Zufalle Vorsatz macht, und besonders dem Poeten bei jeder Kleinigkeit ein Augenmerk auf diese Statue, oder auf jenes Gem?lde andichtet, hei?t ihm einen sehr zweideutigen Dienst erweisen. Und nicht allein ihm, sondern auch dem Leser, dem man die sch?nste Stelle dadurch, wenn Gott will, sehr deutlich, aber auch trefflich frostig macht.

Dieses ist die Absicht und der Fehler eines berühmten englischen Werks. Spence schrieb seinen "Polymetis" 1) mit vieler klassischen Gelehrsamkeit, und in einer sehr vertrauten Bekanntschaft mit den übergebliebenen Werken der alten Kunst. Seinen Vorsatz, aus diesen die r?mischen Dichter zu erkl?ren, und aus den Dichtern hinwiederum Aufschlüsse für noch unerkl?rte alte Kunstwerke herzuholen, hat er ?fters glücklich erreicht. Aber demohngeachtet behaupte ich, da? sein Buch für jeden Leser von Geschmack ein ganz unertr?gliches Buch sein mu?.

{1. Die erste Ausgabe ist von 1747; die zweite von 1755 und führet den Titel: Polymetis, or an enquiry concerning the agreement between the works of the Roman poets, and the remains of the ancient artists, being an attempt to illustrate them mutually from one another. In ten books, by the Revd. Mr. Spence. London, printed for Dodsley. fol. Auch ein Auszug, welchen N. Tindal aus diesem Werke gemacht hat, ist bereits mehr als einmal gedruckt worden.}

Es ist natürlich, da? wenn Valerius Flaccus den geflügelten Blitz auf den r?mischen Schilden beschreibt,

(Nec primus radios, miles Romane, corusci Fulminis et rutilas scutis diffuderis alas)

mir diese Beschreibung weit deutlicher wird, wenn ich die Abbildung eines solchen Schildes auf einem alten Denkmale erblicke 2). Es kann sein, da? Mars in eben der schwebenden Stellung, in welcher ihn Addison über der Rhea auf einer Münze zu sehen glaubte 3), auch von den alten Waffenschmieden auf den Helmen und Schilden vorgestellet wurde, und da? Juvenal einen solchen Helm oder Schild in Gedanken hatte, als er mit einem Worte darauf anspielte, welches bis auf den Addison ein R?tsel für alle Ausleger gewesen. Mich dünkt selbst, da? ich die Stelle des Ovids, wo der ermattete Cephalus den kühlenden Lüften ruft:

{2. Val. Flaccus lib. VI. v. 55. 56. Polymetis Dial. VI. p. 50.}

{3. Ich sage, es kann sein. Doch wollte ich zehne gegen eins wetten, da? es nicht ist.-Juvenal redet von den ersten Zeiten der Republik, als man noch von keiner Pracht und üppigkeit wu?te und der Soldat das erbeutete Gold und Silber nur auf das Geschirr seines Pferdes und auf seine Waffen verwandte. (Sat. XI. v. 100 bis 107.)

Tunc rudis et Grajas mirari nescius artes

Urbibus eversis praedarum in parte reperta

Magnorum artificum frangebat pocula miles,

Ut phaleris gauderet equus, caelataque cassis

Romuleae simulacra ferae mansuescere jussae

Imperii fato, geminos sub rupe Quirinos,

Ac nudam effigiem clipeo fulgentis et hasta

Pendentisque dei perituro ostenderet hosti.

Der Soldat zerbrach die kostbarsten Becher, die Meisterstücke gro?er Künstler, um eine W?lfin, einen kleinen Romulus und Remus daraus arbeiten zu lassen, womit er seinen Helm ausschmückte. Alles ist verst?ndlich, bis auf die letzten zwei Zeilen, in welchen der Dichter fortf?hrt, noch ein solches getriebenes Bild auf den Helmen der alten Soldaten zu beschreiben. So viel sieht man wohl, da? dieses Bild der Gott Mars sein soll; aber was soll das Beiwort pendentis, welches er ihm gibt, bedeuten? Rigaltius fand eine alte Glosse, die es durch quasi ad ictum se inclinantis erkl?rt. Lubinus meinet, das Bild sei auf dem Schilde gewesen, und da das Schild an dem Arme h?nge, so habe der Dichter auch das Bild h?ngend nennen k?nnen. Allein dieses ist wider die Konstruktion; denn das zu ostenderet geh?rige Subjektum ist nicht miles, sondern cassis. Britannicus will, alles was hoch in der Luft stehe, k?nne hangend hei?en, und also auch dieses Bild über oder auf dem Helme. Einige wollen gar perdentis dafür lesen, um einen Gegensatz mit dem folgenden perituro zu machen, den aber nur sie allein sch?n finden dürften. Was sagt nun Addison bei dieser Ungewi?heit? Die Ausleger, sagt er, irren sich alle, und die wahre Meinung ist ganz gewi? diese. (S. dessen Reisen deut. übers. S. 249.) "Da die r?mischen Soldaten sich nicht wenig auf den Stifter und kriegerischen Geist ihrer Republik einbildeten, so waren sie gewohnt auf ihren Helmen die erste Geschichte des Romulus zu tragen, wie er von einem Gotte erzeugt, und von einer W?lfin ges?uget worden. Die Figur des Gottes war vorgestellt, wie er sich auf die Priesterin Ilia, oder wie sie andere nennen, Rhea Sylvia, herabl??t, und in diesem Herablassen schien sie über der Jungfrau in der Luft zu schweben, welches denn durch das Wort pendentis sehr eigentlich und poetisch ausgedruckt wird. Au?er dem alten Basrelief beim Bellori, welches mich zuerst auf diese Auslegung brachte, habe ich seitdem die n?mliche Figur auf einer Münze gefunden, die unter der Zeit des Antoninus Pius geschlagen worden."-Da Spence diese Entdeckung des Addison so au?erordentlich glücklich findet, da? er sie als ein Muster in ihrer Art, und als das st?rkste Beispiel anführet, wie nützlich die Werke der alten Artisten zur Erkl?rung der klassischen r?mischen Dichter gebraucht werden k?nnen: so kann ich mich nicht enthalten, sie ein wenig genauer zu betrachten. (Polymetis Dial. VII. p. 77.)-Vors erste mu? ich anmerken, da? blo? das Basrelief und die Münze dem Addison wohl schwerlich die Stelle des Juvenals in die Gedanken gebracht haben würde, wenn er sich nicht zugleich erinnert h?tte, bei dem alten Scholiasten, der in der letzten ohn' einen Zeile anstatt fulgentis, venientis gefunden, die Glosse gelesen zu haben: Martis ad Iliam venientis ut concumberet. Nun nehme man aber diese Lesart des Scholiasten nicht an, sondern man nehme die an, welche Addison selbst annimmt, und sage, ob man sodann die geringste Spur findet, da? der Dichter die Rhea in Gedanken gehabt habe? Man sage, ob es nicht ein wahres Hysteronproteron von ihm sein würde, da? er von der W?lfin und den jungen Knaben rede, und sodann erst von dem Abenteuer, dem sie ihr Dasein zu danken haben? Die Rhea ist noch nicht Mutter, und die Kinder liegen schon unter dem Felsen. Man sage, ob eine Sch?ferstunde wohl ein schickliches Emblema auf dem Helme eines r?mischen Soldaten gewesen w?re? Der Soldat war auf den g?ttlichen Ursprung seines Stifters stolz; das zeigten die W?lfin und die Kinder genugsam; mu?te er auch noch den Mars im Begriffe einer Handlung zeigen, in der er nichts weniger als der fürchterliche Mars war? Seine überraschung der Rhea mag auf noch so viel alten Marmorn und Münzen zu finden sein, pa?t sie darum auf das Stück einer Rüstung? Und welches sind denn die Marmor und Münzen auf welchen sie Addison fand, und wo er den Mars in dieser schwebenden Stellung sahe? Das alte Basrelief, worauf er sich beruft, soll Bellori haben. Aber die Admiranda, welches seine Sammlung der sch?nsten alten Basreliefs ist, wird man vergebens darnach durchbl?ttern. Ich habe es nicht gefunden, und auch Spence mu? es weder da, noch sonst wo gefunden haben, weil er es g?nzlich mit Stillschweigen übergeht. Alles k?mmt also auf die Münze an. Nun betrachte man diese bei dem Addison selbst. Ich erblicke eine liegende Rhea; und da dem Stempelschneider der Raum nicht erlaubte, die Figur des Mars mit ihr auf gleichem Boden zu stellen, so stehet er ein wenig h?her. Das ist es alles; Schwebendes hat sie au?er diesem nicht das geringste. Es ist wahr, in der Abbildung, die Spence davon gibt, ist das Schweben sehr stark ausgedruckt; die Figur f?llt mit dem Oberteile weit vor; und man sieht deutlich, da? es kein stehender K?rper ist, sondern da?, wenn es kein fallender K?rper sein soll, es notwendig ein schwebender sein mu?. Spence sagt, er besitze diese Münze selbst. Es w?re hart, obschon in einer Kleinigkeit, die Aufrichtigkeit eines Mannes in Zweifel zu ziehen. Allein ein gefa?tes Vorurteil kann auch auf unsere Augen Einflu? haben; zudem konnte er es zum Besten seiner Leser für erlaubt halten, den Ausdruck, welchen er zu sehen glaubte, durch seinen Künstler so verst?rken zu lassen, da? uns ebensowenig Zweifel desfalls übrigbliebe, als ihm selbst. So viel ist gewi?, da? Spence und Addison eben dieselbe Münze meinen, und da? sie sonach entweder bei diesem sehr verstellt, oder bei jenem sehr versch?nert sein mu?. Doch ich habe noch eine andere Anmerkung wider dieses vermeintliche Schweben des Mars. Diese n?mlich: da? ein schwebender K?rper, ohne eine scheinbare Ursache, durch welche die Wirkung seiner Schwere verhindert wird, eine Ungereimtheit ist, von der man in den alten Kunstwerken kein Exempel findet. Auch die neue Malerei erlaubet sich dieselbe nie, sondern wenn ein K?rper in der Luft hangen soll, so müssen ihn entweder Flügel halten, oder er mu? auf etwas zu ruhen scheinen, und sollte es auch nur eine blo?e Wolke sein. Wenn Homer die Thetis von dem Gestade sich zu Fu?e in den Olymp erheben l??t, Thn men ar Oulumponde podes jeron (Iliad. S. v. 148), so verstehet der Graf Caylus die Bedürfnisse der Kunst zu wohl, als da? er dem Maler raten sollte, die G?ttin so frei die Luft durchschreiten zu lassen. Sie mu? ihren Weg auf einer Wolke nehmen (Tableaux tirés de l'Iliade p. 91), so wie er sie ein andermal auf einen Wagen setzt (p. 131), obgleich der Dichter das Gegenteil von ihr sagt. Wie kann es auch wohl anders sein? Ob uns schon der Dichter die G?ttin ebenfalls unter einer menschlichen Figur denken l??t, so hat er doch alle Begriffe eines groben und schweren Stoffes davon entfernet, und ihren menschen?hnlichen K?rper mit einer Kraft belebt, die ihn von den Gesetzen unserer Bewegung ausnimmt. Wodurch aber k?nnte die Malerei die k?rperliche Figur einer Gottheit von der k?rperlichen Figur eines Menschen so vorzüglich unterscheiden, da? unser Auge nicht beleidiget würde, wenn es bei der einen ganz andere Regeln der Bewegung, der Schwere, des Gleichgewichts beobachtet f?nde, als bei der andern? Wodurch anders als durch verabredete Zeichen? In der Tat sind ein Paar Flügel, eine Wolke auch nichts andres, als dergleichen Zeichen. Doch von diesem ein mehreres an einem andren Orte. Hier ist es genug, von den Verteidigern der Addisonschen Meinung zu verlangen, mir eine andere ?hnliche Figur auf alten Denkm?lern zu zeigen, die so frei und blo? in der Luft hange. Sollte dieser Mars die einzige in ihrer Art sein? Und warum? Hatte vielleicht die Tradition einen Umstand überliefert, der ein dergleichen Schweben in diesem Falle notwendig macht? Beim Ovid (Fast. lib. 3.) l??t sich nicht die geringste Spur davon entdecken. Vielmehr kann man zeigen, da? es keinen solchen Umstand k?nne gegeben haben. Denn es finden sich andere alte Kunstwerke, welche die n?mliche Geschichte vorstellen, und wo Mars offenbar nicht schwebet, sondern gehet. Man betrachte das Basrelief beim Montfaucon (Suppl. T. I. p. 183), das sich, wenn ich nicht irre, zu Rom in dem Palast der Mellini befindet. Die schlafende Rhea liegt unter einem Baume, und Mars n?hert sich ihr mit leisen Schritten, und mit der bedeutenden Zurückstreckung der rechten Hand, mit der wir denen hinter uns, entweder zurückzubleiben, oder sachte zu folgen, befehlen. Es ist vollkommen die n?mliche Stellung in der er auf der Münze erscheinet, nur da? er hier die Lanze in der rechten und dort in der linken Hand führet. Man findet ?ftrer berühmte Statuen und Basreliefe auf alten Münzen kopieret, als da? es auch nicht hier k?nnte geschehen sein, wo der Stempelschneider den Ausdruck der zurückgewandten rechten Hand vielleicht nicht fühlte und sie daher besser mit der Lanze füllen zu k?nnen glaubte.-Alles dieses nun zusammengenommen, wie viel Wahrscheinlichkeit bleibet dem Addison noch übrig? Schwerlich mehr, als soviel deren die blo?e M?glichkeit hat. Doch woher eine bessere Erkl?rung, wenn diese nichts taugt? Es kann sein, da? sich schon eine bessere unter den vom Addison verworfenen Erkl?rungen findet. Findet sich aber auch keine, was mehr? Die Stelle des Dichters ist verdorben; sie mag es bleiben. Und sie wird es bleiben, wenn man auch noch zwanzig neue Vermutungen darüber auskramen wollte. Dergleichen k?nnte z. E. diese sein, da? pendentis in seiner figürlichen Bedeutung genommen werden müsse, nach welcher es soviel als ungewi?, unentschlossen, unentschieden, hei?et. Mars pendens w?re alsdenn soviel als Mars incertus oder Mars communis. Dii communes sunt, sagt Servius, (ad v. 118. lib. XII. Aeneid.), Mars, Bellona, Victoria, quia hi in bello utrique parti favere possunt. Und die ganze Zeile,

Pendentisque dei (effigiem) perituro ostenderet hosti,

würde diesen Sinn haben, da? der alte r?mische Soldat das Bildnis des gemeinschaftlichen Gottes seinem demohngeachtet bald unterliegenden Feinde unter die Augen zu tragen gewohnt gewesen sei. Ein sehr feiner Zug, der die Siege der alten R?mer mehr zur Wirkung ihrer eignen Tapferkeit, als zur Frucht des parteiischen Beistandes ihres Stammvaters macht. Demohngeachtet: non liquet.}

Aura-venias-Meque juves, intresque sinus, gratissima, nostros

und seine Prokris diese Aura für den Namen einer Nebenbuhlerin h?lt, da? ich, sage ich, diese Stelle natürlicher finde, wenn ich aus den Kunstwerken der Alten ersehe, da? sie wirklich die sanften Lüfte personifieret, und eine Art weiblicher Sylphen, unter dem Namen Aurae, verehret haben 4). Ich gebe es zu, da? wenn Juvenal einen vornehmen Taugenichts mit einer Hermess?ule vergleicht, man das ?hnliche in dieser Vergleichung schwerlich finden dürfte, ohne eine solche S?ule zu sehen, ohne zu wissen, da? es ein schlechter Pfeiler ist, der blo? das Haupt, h?chstens mit dem Rumpfe, des Gottes tr?gt, und weil wir weder H?nde noch Fü?e daran erblicken, den Begriff der Unt?tigkeit erwecket 5).-Erl?uterungen von dieser Art sind nicht zu verachten, wenn sie auch schon weder allezeit notwendig noch allezeit hinl?nglich sein sollten. Der Dichter hatte das Kunstwerk als ein für sich bestehendes Ding, und nicht als Nachahmung, vor Augen; oder Künstler und Dichter hatten einerlei angenommene Begriffe, demzufolge sich auch übereinstimmung in ihren Vorstellungen zeigen mu?te, aus welcher sich auf die Allgemeinheit jener Begriffe zurückschlie?en l??t.

{4. "Ehe ich", sagt Spence (Polymetis Dialogue XIII. p. 208) "mit diesen Aurae, Luftnymphen, bekannt ward, wu?te ich mich in die Geschichte vom Cephalus und Prokris, beim Ovid, gar nicht zu finden. Ich konnte auf keine Weise begreifen, wie Cephalus durch seine Ausrufung, Aura venias, sie mochte auch in einem noch so z?rtlichen schmachtenden Tone erschollen sein, jemanden auf den Argwohn bringen k?nnen, da? er seiner Prokris untreu sei. Da ich gewohnt war, unter dem Worte Aura, nichts als die Luft überhaupt, oder einen sanften Wind insbesondere, zu verstehen, so kam mir die Eifersucht der Prokris noch weit ungegründeter vor, als auch die allerausschweifendste gemeiniglich zu sein pflegt. Als ich aber einmal gefunden hatte, da? Aura ebensowohl ein sch?nes junges M?dchen, als die Luft bedeuten k?nnte, so bekam die Sache ein ganz anderes Ansehen, und die Geschichte dünkte mich eine ziemlich vernünftige Wendung zu bekommen." Ich will den Beifall, den ich dieser Entdeckung, mit der sich Spence so sehr schmeichelt, in dem Texte erteile, in der Note nicht wieder zurücknehmen. Ich kann aber doch nicht unangemerkt lassen, da? auch ohne sie die Stelle des Dichters ganz natürlich und begreiflich ist. Man darf n?mlich nur wissen, da? Aura bei den Alten ein ganz gew?hnlicher Name für Frauenzimmer war. So hei?t z. E. beim Nonnus (Dionys. lib. XLVIII.) die Nymphe aus dem Gefolge der Diana, die, weil sie sich einer m?nnlichem Sch?nheit rühmte, als selbst der G?ttin ihre war, zur Strafe für ihre Vermessenheit, schlafend den Umarmungen des Bacchus preisgegeben ward.}

{5. Juvenalis Satir. VIII. v. 52-55.

-At tu

Nil nisi Cecropides; truncoque simillimus Hermae:

Nullo quippe alio vincis discrimine, quam quod

Illi marmoreum caput est, tua vivit imago.

Wenn Spence die griechischen Schriftsteller mit in seinen Plan gezogen gehabt h?tte, so würde ihm vielleicht, vielleicht aber auch nicht, eine alte Aesopische Fabel beigefallen sein, die aus der Bildung einer solchen Hermess?ule ein noch weit sch?neres, und zu ihrem Verst?ndnisse weit unentbehrlicheres Licht erh?lt, als diese Stelle des Juvenals. "Merkur", erz?hlet Aesopus, "wollte gern erfahren, in welchem Ansehen er bei den Menschen stünde. Er verbarg seine Gottheit, und kam zu einem Bildhauer. Hier erblickte er die Statue des Jupiters, und fragte den Künstler, wie teuer er sie halte?, Eine Drachme, war die Antwort. Merkur l?chelte;,Und diese Juno? fragte er weiter.,Ohngef?hr-ebensoviel. Indem ward er sein eigenes Bild gewahr, und dachte bei sich selbst: ich bin der Bote der G?tter; von mir k?mmt aller Gewinn; mich müssen die Menschen notwendig weit h?her sch?tzen.,Aber hier dieser Gott? (Er wies auf sein Bild.),Wie teuer m?chte wohl der sein?,Dieser? antwortete der Künstler.,O, wenn Ihr mir jene beide abkauft, so sollt Ihr diesen obendrein haben. " Merkur war abgeführt. Allein der Bildhauer kannte ihn nicht, und konnte also auch nicht die Absicht haben, seine Eigenliebe zu kr?nken, sondern es mu?te in der Beschaffenheit der Statuen selbst gegründet sein, warum er die letztere so geringsch?tzig hielt, da? er sie zur Zugabe bestimmte. Die geringere Würde des Gottes, welchen sie vorstellte, konnte dabei nichts tun, denn der Künstler sch?tzet seine Werke nach der Geschicklichkeit, dem Flei?e und der Arbeit, welche sie erfordern, und nicht nach dem Range und dem Werte der Wesen, welche sie ausdrücken. Die Statue des Merkurs mu?te weniger Geschicklichkeit, weniger Flei? und Arbeit verlangen, wenn sie weniger kosten sollte, als eine Statue des Jupiters oder der Juno. Und so war es hier wirklich. Die Statuen des Jupiters und der Juno zeigten die v?llige Person dieser G?tter; die Statue des Merkurs hingegen war ein schlechter viereckichter Pfeiler, mit dem blo?en Brustbilde desselben. Was Wunder also, da? sie obendrein gehen konnte? Merkur übersahe diesen Umstand, weil er sein vermeintliches überwiegendes Verdienst nur allein vor Augen hatte, und so war seine Demütigung ebenso natürlich, als verdient. Man wird sich vergebens bei den Auslegern und übersetzern und Nachahmern der Fabeln des Aesopus nach der geringsten Spur von dieser Erkl?rung umsehen; wohl aber k?nnte ich ihrer eine ganze Reihe anführen, wenn es sich der Mühe lohnte, die das M?rchen geradezu verstanden, das ist, ganz und gar nicht verstanden haben. Sie haben die Ungereimtheit, welche darin liegt, wenn man die Statuen alle für Werke von einerlei Ausführung annimmt, entweder nicht gefühlt, oder wohl noch gar übertrieben. Was sonst in dieser Fabel anst??ig sein k?nnte, w?re vielleicht der Preis, welchen der Künstler seinem Jupiter setzet. Für eine Drachma kann ja wohl auch kein T?pfer eine Puppe machen. Eine Drachma mu? also hier überhaupt für etwas sehr Geringes stehen. (Fab. Aesop. 90. Edit. Haupt. p. 70.)}

Allein wenn Tibull die Gestalt des Apollo malet, wie er ihm im Traume erschienen:-der sch?nste Jüngling, die Schl?fe mit dem keuschen Lorbeer umwunden; syrische Gerüche duften aus dem güldenen Haare, das um den langen Nacken schwimmet; gl?nzendes Wei? und Purpurr?te mischen sich auf dem ganzen K?rper, wie auf der zarten Wange der Braut, die itzt ihrem Geliebten zugeführet wird:-warum müssen diese Züge von alten berühmten Gem?lden erborgt sein? Echions nova nupta verecundia notabilis mag in Rom gewesen sein, mag tausend- und tausendmal sein kopieret worden, war darum die br?utliche Scham selbst aus der Welt verschwunden? Seit sie der Maler gesehen hatte, war sie für keinen Dichter mehr zu sehen, als in der Nachahmung des Malers 6)? Oder wenn ein anderer Dichter den Vulkan ermüdet, und sein vor der Esse erhitztes Gesicht rot, brennend nennet: mu?te er es erst aus dem Werke eines Malers lernen, da? Arbeit ermattet und Hitze r?tet 7)? Oder wenn Lucrez den Wechsel der Jahreszeiten beschreibet, und sie, mit dem ganzen Gefolge ihrer Wirkungen in der Luft und auf der Erde, in ihrer natürlichen Ordnung vorüberführet: war Lucrez ein Ephemeron, hatte er kein ganzes Jahr durchlebet, um alle die Ver?nderungen selbst erfahren zu haben, da? er sie nach einer Prozession schildern mu?te, in welcher ihre Statuen herumgetragen wurden? Mu?te er erst von diesen Statuen den alten poetischen Kunstgriff lernen, dergleichen Abstrakta zu wirklichen Wesen zu machen 8)? Oder Virgils pontem indignatus Araxes, dieses vortreffliche poetische Bild eines über seine Ufer sich ergie?enden Flusses, wie er die über ihn geschlagene Brücke zerrei?t, verliert es nicht seine ganze Sch?nheit, wenn der Dichter auf ein Kunstwerk damit angespielet hat, in welchem dieser Flu?gott als wirklich eine Brücke zerbrechend vorgestellet wird 9)?-Was sollen wir mit dergleichen Erl?uterungen, die aus der klarsten Stelle den Dichter verdr?ngen, um den Einfall eines Künstlers durchschimmern zu lassen?

{6. Tibullus Eleg. 4. lib. III. Polymetis Dial. VIII. p. 84.}

{7. Statius lib. I. Silv. 5. v. 8. Polymetis Dial. VIII. p. 81.}

{8. Lucretius de R. N. lib. V. v. 736-747

It Ver, et Venus, et Veneris praenuntius ante

Pinnatus graditur Zephyrus; vestigia propter

Flora quibus mater praespargens ante viai

Cuncta coloribus egregiis et odoribus opplet.

Inde loci sequitur Calor aridus, et comes una

Pulverulenta Ceres; et Etesia flabra Aquilonum.

Inde Autumnus adit; graditur simul Evius Evan:

Inde aliae tempestates ventique sequuntur,

Altitonans Volturnus et Auster fulmine pollens.

Tandem Bruma nives adfert, pigrumque rigorem

Reddit, Hiems sequitur, crepitans ac dentibus Algus.

{9. Aeneid. lib. VIII. v. 728. Polymetis Dial. XIV. p. 230.}

Spence erkennet diese Stelle für eine von den sch?nsten in dem ganzen Gedichte des Lucrez. Wenigstens ist sie eine von denen, auf welche sich die Ehre des Lucrez als Dichter gründet. Aber wahrlich, es hei?t ihm diese Ehre schm?lern, ihn v?llig darum bringen wollen, wenn man sagt: Diese ganze Beschreibung scheinet nach einer alten Prozession der verg?tterten Jahreszeiten, nebst ihrem Gefolge, gemacht zu sein. Und warum das? "Darum," sagt der Engel?nder, "weil bei den R?mern ehedem dergleichen Prozessionen mit ihren G?ttern überhaupt, ebenso gew?hnlich waren, als noch itzt in gewissen L?ndern die Prozessionen sind, die man den Heiligen zu Ehren anstellet; und weil hiern?chst alle Ausdrücke, welche der Dichter hier braucht, auf eine Prozession recht sehr wohl passen" (come in very aptly, if applied to a procession). Treffliche Gründe! Und wie vieles w?re gegen den letzteren noch einzuwenden. Schon die Beiw?rter, welche der Dichter den personifierten Abstrakten gibt, Calor aridus, Ceres pulverulenta, Volturnus altitonans, fulmine pollens Auster, Algus dentibus crepitans, zeigen, da? sie das Wesen von ihm, und nicht von dem Künstler haben, der sie ganz anders h?tte charakterisieren müssen. Spence scheinet übrigens auf diesen Einfall von einer Prozession durch Abraham Preigern gekommen zu sein, welcher in seinen Anmerkungen über die Stelle des Dichters sagt: Ordo est quasi pompae cujusdam, Ver et Venus, Zephyrus et Flora etc. Allein dabei h?tte es auch Spence nur sollen bewenden lassen. Der Dichter führet die Jahreszeiten gleichsam in einer Prozession auf; das ist gut. Aber er hat es von einer Prozession gelernt, sie so aufzuführen; das ist sehr abgeschmackt.}

Ich bedaure, da? ein so nützliches Buch, als "Polymetis" sonst sein k?nnte, durch diese geschmacklose Grille, den alten Dichter statt eigentümlicher Phantasie, Bekanntschaft mit fremder unterzuschieben, so ekel, und den klassischen Schriftstellern weit nachteiliger geworden ist, als ihnen die w??rigen Auslegungen der schalsten Wortforscher nimmermehr sein k?nnen. Noch mehr bedauere ich, da? Spencen selbst Addison hierin vorgegangen, der aus l?blicher Begierde, die Kenntnis der alten Kunstwerke zu einem Auslegungsmittel zu erheben, die F?lle ebensowenig unterschieden hat, in welchen die Nachahmung des Künstlers dem Dichter anst?ndig, in welchen sie ihm verkleinerlich ist 10).

{10. In verschiedenen Stellen seiner Reisen und seines Gespr?ches über die alten Münzen.}

            
            

COPYRIGHT(©) 2022