Chapter 6 Kapitel (Das Alte und auch etwas Neues)

Der Sommer war vergangen, und auch die sch?nen Herbsttage waren zu

Ende. Es wurde kühl und nebelig am Abend, und in den feuchten

Wiesen fra?en die Kühe das letzte Gras ab. Hier und da flackerten

auf den Wiesen kleine Feuer auf, denn die Hirtenbuben brieten

Kartoffeln und w?rmten sich die H?nde,

An einem solchen nebelgrauen Abend kam Otto aus der Schule heim und erkl?rte seiner Mutter, er müsse nachsehen, was das Wiseli mache. Denn seit den Herbstferien war es noch nicht in die Schule gekommen, acht Tage lang nicht. Otto steckte seine Vesper?pfel zu sich und lief davon. Am Buchenrain angekommen, sah er den Rudi vor der Haustür am Boden sitzen und von einem Haufen Birnen, die neben ihm lagen, eine nach der anderen zerrei?en.

"Wo ist das Wiseli?" fragte Otto.

"Drau?en", war die Antwort.

"Wo drau?en?"

"Auf der Wiese."

"Auf welcher Wiese?"

"Ich wei? nicht." Und Rudi kaute weiter an seinen Birnen.

"Du stirbst einmal nicht am Gescheitsein", bemerkte Otto und ging auf gut Glück zur gro?en Wiese, die sich vom Haus bis gegen den Wald hinaufzog. Jetzt entdeckte er drei schwarze Punkte unter einem Birnbaum und ging darauf zu. Richtig, da bückte sich Wiseli, um die Birnen zusammenzulesen. Dort sa? der Ch?ppi rittlings auf seinem Birnenkorb, und zuhinterst lag der Hans rücklings über den vollen Korb hin und schaukelte sich so darauf, da? der Korb jeden Augenblick umzustürzen drohte. Ch?ppi sah ihm zu und lachte.

Als Wiseli den Otto herankommen sah, leuchtete sein Gesicht auf. "Guten Abend, Wiseli", rief er von weitem, "warum bist du so lange nicht in die Schule gekommen?"

Wiseli streckte erfreut dem Otto die Hand entgegen. "Wir haben so viel zu tun, darum durfte ich nicht kommen", sagte es. "Sieh nur, wie viel Birnen es gibt! Ich mu? vom Morgen bis zum Abend auflesen, soviel ich nur kann."

"Du hast ja ganz nasse Schuhe und Strümpfe", erwiderte Otto. "Hier ist's nicht gemütlich. Frierst du nicht, wenn du so na? bist?"

"Ich fr?stle nur manchmal ein wenig, sonst ist es mir eher hei? vom Auflesen." In diesem Augenblick gab der Hans seinem Korb einen solchen Ruck, da? alles übereinander auf den Boden hinrollte. Der Hans, der Korb und alle Birnen, die fuhren nach allen Richtungen hin.

"Oh, oh!" sagte Wiseli kl?glich. "Nun mu? man die alle wieder zusammenlesen."

"Und die auch", rief Ch?ppi und lachte, als die Birne, die er geworfen hatte, das Wiseli an der Schl?fe traf, da? es ganz bleich wurde und ihm vor Schmerz das Wasser in die Augen scho?.

Kaum hatte Otto das gesehen, als er auf den Ch?ppi losfuhr, ihn samt seinem Korb umwarf und ihn fest im Genick packte. "H?r auf, ich mu? ersticken", gurgelte der Ch?ppi. Jetzt lachte er nicht mehr.

"Du sollst daran denken, da? du es mit mir zu tun hast, wenn du so mit dem Wiseli umgehst", rief Otto zornig. "Hast du genug? Willst du daran denken?"

"Ja, ja, la? nur los!" bat Ch?ppi, mürbe gemacht.

Nun lie? Otto los. "Jetzt hast du's gespürt", sagte er; "wenn du dem Wiseli noch einmal etwas zuleide tust, so packe ich dich so, da? du noch einen Schrecken hast davon, wenn du siebzig Jahre alt bist. Auf Wiedersehen, Wiseli." Damit drehte sich Otto um und ging mit seinem Zorn nachhause.

Hier suchte er gleich seine Mutter auf und erz?hlte ihr emp?rt, da? das Wiseli eine solche Behandlung erdulden müsse. Er war auch ganz entschlossen, auf der Stelle zum Herrn Pfarrer zu gehen und den Onkel und seine ganze Familie anzuklagen, damit man ihnen das Wiseli entrei?e.

Die Mutter h?rte zu, bis Otto sich ein wenig beruhigt hatte, dann sagte sie: "Lieber Junge, das würde gar nichts nutzen, das Kind würde man dem Onkel nicht wegnehmen, nur ihn reizen, wenn er so etwas h?rte. Er meint es selbst nicht b?se mit dem Kind, und es ist kein genügender Grund da, ihm Wiseli wegzunehmen. Ich wei?, da? das arme Kind jetzt ein hartes Brot i?t. Ich habe es auch nicht vergessen, ich schaue immer danach aus, ob mir der liebe Gott nicht einen Weg zeigt, wie dem Kind geholfen werden k?nnte. Die Sache liegt mir auch am Herzen, das kannst du glauben, Otto. Wenn du inzwischen das Wiseli schützen und den groben Ch?ppi ein wenig z?hmen kannst, ohne selbst dabei grob zu werden, so bin ich ganz damit einverstanden."

Otto beruhigte sich bei dem Gedanken, da? die Mutter nach einem anderen Weg für das Wiseli ausschaute. Er selber dachte alle m?glichen Rettungswege aus, aber alle führten in die Luft hinauf und hatten keinen Boden. Und er sah ein, da? das Wiseli darauf nicht gehen konnte. Als er dann zu Weihnachten seine Wünsche aufschreiben durfte, da schrieb er ganz verzweifelt mit ungeheuren Buchstaben, so als mü?te man sie vom Himmel herunter lesen k?nnen, auf sein Papier: 'Ich wünsche, da? das Christkind das Wiseli befreit.'

Nun war der kalte Januar wieder da, und der Schlittenweg war so pr?chtig glatt und fest, da? die Kinder gar nicht genug bekommen konnten, die herrliche Bahn zu benutzen. Es kam auch eine helle Mondnacht nach der anderen, und Otto hatte auf einmal den Einfall, am allersch?nsten mü?te das Schlittenfahren im Mondschein sein. Die ganze Gesellschaft sollte sich am Abend um sieben Uhr zusammenfinden und die Mondscheinfahrten ausführen, denn es war der Tag des Vollmonds. Da mu?te es pr?chtig werden.

Mit Jubel wurde der Vorschlag angenommen, und die Schlittbahngenossen trennten sich gegen fünf Uhr wie gew?hnlich, da die Nacht einbrach, um sich um sieben Uhr wieder zusammenzufinden.

Weniger Anklang fand der Vorschlag bei Ottos Mutter, als er ihr mitgeteilt wurde. Sie lie? sich gar nicht von der Begeisterung hinrei?en, mit der die Kinder beide auf einmal und in den lautesten T?nen ihr das Wundervolle dieser Unternehmung schilderten. Sie hielt ihnen die K?lte des sp?ten Abends vor, die Unsicherheit der Fahrten bei dem ungewissen Licht und alle Gefahren, die besonders das Miezchen bedrohen k?nnten.

Aber die Einw?nde blieben wirkungslos, und Miezchen bettelte inst?ndig, als hinge seine einzige Lebensfreude an dieser Schlittenfahrt. Otto versprach auch, er wurde auf Miezchen aufpassen und immer in seiner n?chsten N?he bleiben.

Endlich willigte die Mutter ein. Mit gro?em Jubel und wohlverpackt zogen die Kinder ein paar Stunden nachher in die helle Nacht hinaus. Es ging alles ganz nach Wunsch, die Schlittenbahn war unvergleichlich, und das Geheimnisvolle der dunklen Stellen, wo der Mondschein nicht hinfiel, erh?hte den Reiz der Unternehmung. Eine Menge Kinder hatte sich eingefunden, alle waren in der fr?hlichsten Stimmung.

Otto lie? sie alle vorausfahren, dann kam er, und zuletzt mu?te das

Miezchen kommen, damit ihm keiner in den Rücken fahren konnte. So

hatte es Otto eingerichtet, er konnte sich dabei auch immer von

Zeit zu Zeit mit einem Blick vergewissern, ob Miezchen nachkomme.

Als nun alles so gut ging, fiel einem der Buben ein, nun mü?te einmal der ganze Zug anh?ngen, n?mlich ein Schlitten an den anderen gebunden werden. So wollte man hinunterfahren, das mü?te im Mondenschein ein ganz besonderer Spa? werden. Unter gro?em L?rm und allgemeiner Zustimmung ging man gleich ans Werk.

Für Miezchen fand Otto die Fahrt doch ein wenig gef?hrlich, denn manchmal gab es dabei einen gro?artigen Umsturz s?mtlicher Schlitten und Kinder. Das konnte er für das kleine Wesen nicht riskieren. Er lie? seinen Schlitten zuletzt anbinden, der Miezchens aber wurde freigelassen. So fuhr es, wie immer, hinter dem Bruder her. Nur konnte er jetzt nicht, wie sonst, seinen Schlitten langsamer fahren lassen, wenn Miezchen zurückblieb, denn er war in der Gewalt des Zuges. Jetzt ging es los, und die lange, lange Kette sauste die glatte Bahn hinunter.

Mit einemmal h?rte Otto ein furchtbares Geschrei, und er kannte die Stimme. Es war Miezchens Stimme. Was war da geschehen? Otto hatte keine Wahl, er mu?te die Lustpartie zu Ende machen, wie gro? auch sein Schrecken war. Aber kaum unten angelangt, ri? er sein Schlittenseil los und rannte den Berg hinauf. Alle anderen liefen hinter ihm drein, denn fast alle hatten das Geschrei vernommen und wollten auch sehen, was los war. An der halben H?he des Berges stand das Miezchen neben seinem Schlitten, schrie aus Leibeskr?ften und weinte. Atemlos stürzte Otto heran und rief: "Was hast du? Was hast du?"

"Er hat mich-er hat mich-er hat mich", stie? Miezchen schluchzend hervor und kam nicht weiter vor Aufregung.

"Was hat er? Wer denn? Wo? Wer?" rief Otto.

"Der Mann dort, der Mann, er hat mich-er hat mich totschlagen wollen und hat mir-und hat mir-furchtbare Worte nachgerufen." So viel kam endlich heraus unter immer neuem Geschrei.

"So sei doch nur still jetzt, Miezchen, tu doch nicht so. Er hat dich ja doch nicht totgeschlagen. Hat er dich denn wirklich geschlagen?" fragte Otto ganz zahm, denn er hatte Angst.

"Nein. Aber er wollte, mit einem Stecken-so hat er ihn gehoben und gesagt: 'Wart du!' Und ganz furchtbare Worte hat er mir nachgerufen."

"So hat er dir eigentlich gar nichts getan", sagte Otto und atmete beruhigt auf.

"Aber er hat ja-er hat ja-und ihr wart alle schon weit fort, und ich war ganz allein." Und vor Mitleid mit sich selbst brach Miezchen noch einmal in lautes Weinen aus.

"Bscht! Bscht!" beschwichtigte Otto. "Sei doch still jetzt, ich gehe nun nicht mehr von dir weg, und der Mann kommt nicht mehr. Und wenn du nun gleich ganz still sein willst, so gebe ich dir den roten Zuckerhahn vom Christbaum."

Das wirkte. Mit einemmal trocknete Miezchen seine Tr?nen und gab keinen Laut mehr von sich. Denn den gro?en roten Zuckerhahn vom Christbaum zu bekommen, war Miezchens allergr??ter Wunsch gewesen. Er war aber bei der Teilung auf Ottos Teil gefallen, und Miezchen hatte den Verlust nie verschmerzen k?nnen. Wie nun alles in Ordnung war und die Kinder den Berg hinaufstiegen, wurde besprochen, was es für ein Mann gewesen sein k?nne, der das Miezchen habe totschlagen wollen.

"Ach was, totschlagen", rief Otto dazwischen. "Ich habe schon lange gemerkt, wer es war. Wir haben ja im Herunterfahren den gro?en Mann mit dem dicken Stock auch angetroffen, er mu?te unseren Schlitten ausweichen, in den Schnee hinein. Das machte ihn b?se, und als er dann hintennach das Miezi allein antraf, hat er es ein wenig erschreckt und seinen Zorn an ihm ausgelassen."

Diese Erkl?rung fand allgemeine Zustimmung. Das war ja so natürlich, da? jedes meinte, es sei ihm selber so in den Sinn gekommen. So wurde die Sache vergessen und lustig drauflos gerodelt. Endlich aber mu?te auch dieses Vergnügen ein Ende nehmen, denn es hatte l?ngst acht Uhr geschlagen, die Zeit, da aufgebrochen werden sollte.

Auf dem Heimweg sch?rfte der Otto dem Miezchen ein, zuhause nichts zu erz?hlen von dem Vorfall, sonst k?nnte die Mutter Angst bekommen. Und dann dürften sie nie mehr im Mondschein Schlitten fahren. Den Zuckerhahn würde Miezchen gleich bekommen, aber es müsse versprechen, nichts zu erz?hlen.

Miezchen versprach hoch und heilig, kein Wort zu sagen. Die Spuren seiner Tr?nen waren auch l?ngst verschwunden und konnten nichts mehr verraten.

L?ngst schon schliefen Otto und Miezchen auf ihren Kissen, und der rote Zuckerhahn spazierte durch Miezchens Tr?ume und erfüllte sein Herz mit einer so gro?en Freude, da? es im Schlaf l?chelte. Da klopfte es unten an die Haustür, so laut, da? der Oberst und seine Frau vom Tisch auffuhren, an dem sie eben gemütlich gesessen und sich über ihre Kinder unterhalten hatten. Und die alte Trine rief in strafendem Ton zum Fenster hinaus: "Was ist das für eine Manier!"

"Es ist ein gro?es Unglück geschehen", t?nte es von unten herauf.

"Der Herr Oberst soll doch herunterkommen, sie haben den Schreiner

Andres tot gefunden."

Damit lief der Bote wieder davon. Der Oberst und seine Frau hatten genug geh?rt, denn auch sie waren zum offenen Fenster gegangen. Augenblicklich warf der Oberst seinen Mantel um und lief zum Haus des Schreiners. Als er in die Stube trat, fand er schon eine Menge Leute da. Man hatte den Friedensrichter und Gemeindeamtmann geholt, und eine Schar Neugieriger und Teilnehmender war mit ihnen gekommen. Andres lag am Boden in einer Blutlache und gab kein Lebenszeichen von sich. Der Oberst trat n?her.

"Ist denn jemand zum Doktor gelaufen?" fragte er.

Es war niemand dorthin gegangen. Da sei ja doch nichts mehr zu machen, meinten die Leute.

"Lauf, was du kannst, zum Doktor", befahl der Oberst einem Burschen. "Sag ihm, ich lasse ihn bitten, er soll auf der Stelle kommen." Dann half er selbst den Andres vom Boden aufheben und in die Kammer hinein auf sein Bett legen. Erst jetzt trat der Oberst an die schwatzenden Leute heran, um zu h?ren, wie der Vorfall sich zugetragen hatte, ob jemand etwas N?heres wisse.

Der Müllerssohn trat vor und erz?hlte, er sei vor einer halben Stunde vorbeigekommen, und da er noch Licht gesehen habe in des Schreiners Stube, habe er im Vorbeigehen schnell fragen wollen, ob seine Aussteuersachen auch rechtzeitig fertig werden. Er habe die Tür der Stube offen stehend, den Andres tot im Blut liegend am Boden gefunden. Der Matten-Joggi, der dabeistand, habe ihm lachend ein Goldstück entgegengestreckt, als er hereingetreten sei. Er habe dann den Leuten zugerufen, da? der Gemeindeamtmann kommen solle.

Der Matten-Joggi, der so hie?, weil er unten in der 'Matte', im Tal wohnte, war ein schwachsinniger Mensch, der davon lebte, da? ihn die Bauern mithelfen lie?en. Er schleppte Steine und Sand, las Obst auf oder machte im Winter Holzbündelchen. Da? er B?ses getan h?tte, hatte man bis jetzt nicht geh?rt. Der Müllerssohn hatte ihm gesagt, er solle da bleiben, bis auch der Pr?sident noch da sein werde. So stand Joggi noch immer in einer Ecke, hielt seine Hand fest zugeklemmt und lachte halblaut.

Jetzt trat der Doktor in die Stube und hinter ihm her auch noch der Pr?sident. Der Gemeindevorstand stellte sich nun mitten ins Zimmer und verh?rte die Leute. Der Doktor ging sofort in die Kammer hinein, und der Oberst folgte ihm. Der Doktor untersuchte genau den unbeweglichen K?rper.

"Da haben wir's", rief er pl?tzlich aus, "hier auf den Hinterkopf ist Andres geschlagen worden, da ist eine gro?e Wunde."

"Aber er ist doch nicht tot, Doktor, was sagst du?"

"Nein, er atmet ganz leise, aber er ist b?se dran."

Nun brauchte der Doktor Wasser und Schw?mme und Wei?zeug und noch vieles. Die Leute drau?en liefen alle durcheinander und suchten und rissen alles von der Wand und aus dem Küchenkasten und brachten Haufen von Sachen in die Kammer hinein, aber nichts von dem, das der Doktor brauchte.

"Da mu? eine Frau her, die Verstand hat und wei?, was ein Kranker n?tig hat", rief der Doktor ungeduldig. Alle schrien durcheinander. Aber wenn einer eine wu?te, so rief ein anderer: "Die kann nicht kommen."

"Einer soll auf den Hang laufen", befahl der Oberst. "Meine Frau soll mir die Trine herunterschicken!" Sofort lief ein Mann davon,

"Deine Frau wird dir aber nicht danken", sagte der Doktor, "denn ich lasse die Pflegerin drei bis vier Tage und N?chte nicht vom Bett weg."

"Keine Sorge", entgegnete der Oberst, "für den Andres g?be meine

Frau alles her, nicht nur die alte Trine."

Keuchend und beladen kam die Trine an, viel schneller, als man hatte hoffen k?nnen. Denn sie stand schon lange mit einem gro?en Korb am Arm bereit, und die Frau Oberst stand neben ihr und lauschte, ob einer gelaufen komme. Sie hatte nicht annehmen k?nnen, da? der Andres wirklich tot sei, und hatte überlegt, was man brauchen k?nnte, um ihm wieder auf die Beine zu helfen. So hatte sie Schwamm und Verbandzeug, Wein und ?l und warme Flanelle in einen Korb gepackt, und Trine mu?te nur hinunterlaufen, als der Bote kam. Der Doktor war sehr zufrieden.

"Alles fort jetzt, gute Nacht, Oberst, und mach, da? die ganze

Bande zum Haus hinauskommt!" rief er und. schlo? die Tür zu,

nachdem der Oberst hinausgetreten war. Der Gemeinderat war noch am

Beratschlagen. Da aber der Oberst erkl?rte, nun müsse alles das

Haus verlassen, fa?ten die M?nner den Beschlu?, vorl?ufig müsse der

Joggi eingesperrt werden. Dann wollte man weitersehen.

Also mu?ten zwei M?nner den Joggi in die Mitte nehmen, damit er nicht davonlief, und ihn so zum Armenhaus bringen und in eine Kammer sperren. Der Joggi ging aber ganz willig davon und lachte, und von Zeit zu Zeit guckte er vergnügt in seine Faust hinein.

Gleich am anderen Morgen ging die Frau Oberst voller Sorge zum H?uschen des Andres hinunter. Trine kam leise aus der Kammer und brachte die frohe Nachricht, Andres sei gegen Morgen schon ein wenig zum Bewu?tsein gekommen. Auch der Doktor sei schon dagewesen und habe den Kranken über Erwarten gut angetroffen. Ihr aber habe er eingesch?rft, da? sie keinen Menschen in die Kammer hineinlasse, Andres dürfe auch noch kein Wort reden, wenn er auch wollte, nicht. Nur der Doktor und die W?rterin sollen vor seine Augen kommen, erkl?rte die Trine in gro?em Amtseifer. Damit war die Frau Oberst einverstanden, und erfreut kehrte sie mit ihren Nachrichten nach Hause zurück.

So vergingen acht Tage. Jeden Morgen ging die Frau Oberst zum Haus des Kranken, um genau Bericht zu bekommen und zu h?ren, ob etwas fehle, das dann schnell herbeigeschafft werden mu?te. Otto und Miezchen mu?ten jeden Tag aufs neue bes?nftigt werden, da? sie ihren kranken Freund noch nicht besuchen durften. Aber da war immer noch keine Erlaubnis vom Doktor. Die Trine war noch unentbehrlich, wurde auch t?glich vom Doktor gelobt für ihre sorgf?ltige Pflege.

Nach Ablauf der acht Tage schlug der Doktor seinem Freund, dem Oberst, vor, nun einmal den Kranken zu besuchen, zu der Zeit, da er selbst dort sein würde. Denn jetzt war der Augenblick gekommen, da Andres wieder reden durfte. Und der Doktor wollte ihn in Gegenwart des Obersten darüber befragen, was er selbst von dem unglücklichen Vorfall wisse.

Andres freute sich, als er dem Herrn Oberst die Hand drücken durfte. Er hatte ja schon lange bemerkt, woher ihm alles Gute und alle Sorgfalt für seine Genesung kam. Dann besann er sich, so gut er konnte, um die Fragen der beiden Herren zu beantworten. Er wu?te aber nur folgendes zu sagen: Er hatte seine Summe beisammen, die er j?hrlich dem Herrn Oberst zur Verwahrung brachte. Diese wollte er noch einmal überz?hlen, um seiner Sache sicher zu sein. Er hatte sich am sp?teren Abend hingesetzt, den Rücken gegen die Fenster und die Tür gekehrt. Mitten im Z?hlen h?rte er jemanden hereinkommen. Ehe er aber aufgeschaut hatte, fiel ein furchtbarer Schlag auf seinen Kopf. Von da an wu?te er nichts mehr.

Also hatte Andres Geld auf dem Tisch liegen gehabt. Davon war aber gar nichts mehr gesehen worden, nur das einzige Stück in Joggis Hand. Wo k?nnte denn das andere Geld hingekommen sein, wenn wirklich Joggi der übelt?ter war? Als Andres vernahm, wie der Joggi gefunden worden und nun eingesperrt sei, wurde er ganz unruhig.

"Sie sollen ihn doch gehen lassen, den armen Joggi", sagte er. "Der tut ja keinem Kind etwas zuleide, der hat mich nicht geschlagen."

Andres hatte aber auch gegen keinen anderen Menschen den leisesten

Verdacht. Er habe keine Feinde, sagte er, und kenne keinen

Menschen, der ihm so etwas h?tte antun wollen.

"Es kann auch ein Fremder gewesen sein", bemerkte der Doktor, der die niedrigen Fenster ansah. "Wenn Sie da beim hellen Licht Geld auf dem Tisch liegen haben und z?hlen, so kann das von au?en jeder sehen und Lust zum Teilen bekommen."

"Ich habe nie an so etwas gedacht, es war immer alles offen," sagte der Andres gelassen.

"Es ist gut, da? Sie noch etwas im Trockenen haben, Andres", bemerkte der Oberst. "Lassen Sie sich das nicht zu Herzen gehen. Das wichtigste ist, da? Sie wieder gesund werden."

"Gewi?, Herr Oberst", erwiderte Andres und schüttelte ihm die Hand. "Ich habe nur zu danken. Der liebe Gott hat mir ja sonst schon viel mehr gegeben, als ich brauche."

Die Herren verlie?en den friedlichen Andres, und vor der Tür sagte der Doktor: "Dem ist wohler als dem anderen, der ihn zusammenschlagen wollte."

Vom Joggi wurde eine traurige Geschichte erz?hlt, die alle Buben in der Schule besch?ftigte und in gro?e Teilnahme versetzte. Auch Otto brachte sie nach Hause und mu?te sie jeden Tag ein paarmal wiederholen, denn jedesmal, wenn er daran dachte, machte sie ihm aufs neue gro?en Eindruck.

Als man den Joggi an dem Abend lachend ins Armenhaus gebracht hatte, da war er aufgefordert worden, sein Goldstück an einen seiner Führer abzugeben, den Sohn des Friedensrichters. Joggi aber klemmte seine Faust noch besser zusammen und wollte nichts hergeben. Aber die beiden waren st?rker als er. Sie rissen ihm mit Gewalt die Faust auf. Und der Friedensrichterssohn, der von dem Joggi manchen Kratzer w?hrend der Arbeit erhalten hatte, sagte, als er das Goldstück endlich in der Hand hielt: "So, jetzt wart nur, Joggi, du wirst schon deinen Lohn bekommen. Wart nur, bis sie kommen, sie werden dir's dann schon zeigen."

Da hatte der Joggi angefangen furchtbar zu schreien und zu jammern, denn er glaubte, er werde gek?pft. Und seither a? er nicht und trank nicht und st?hnte und jammerte fortw?hrend, denn die Furcht und Angst vor dem K?pfen verfolgte ihn st?ndig. Schon zweimal waren der Pr?sident und der Gemeindeamtmann bei ihm gewesen und hatten ihm gesagt, er soll nur alles sagen, was er getan habe, er werde nicht gek?pft.

Er wu?te nichts zu sagen, als da? er beim Andres ins Fenster geschaut habe, und der sei am Boden gelegen. Er sei zu ihm hineingegangen und habe ihn ein wenig gesto?en, da sei er tot gewesen. Da habe er etwas gl?nzen gesehen in einer Ecke und habe es geholt, und dann sei der Müllerssohn gekommen und dann noch viele. Hatte der Joggi so viel erz?hlt, so fing er wieder zu st?hnen an und h?rte nicht mehr auf.

            
            

COPYRIGHT(©) 2022