Chapter 4 Kapitel (Beim Onkel)

Als das Wiseli mit dem Onkel in das Haus am Buchenrain trat, da kamen die drei Buben aus der Scheune gestürzt und liefen hinter den beiden her in die Stube. Alle drei starrten das Wiseli an. Aus der Küche kam die Tante herein und schaute das Wiseli ebenfalls an, als wenn sie es noch nie gesehen h?tte.

Der Onkel setzte sich hinter den Tisch und sagte: "Ich meine, man k?nnte etwas essen. Das Kleine hat, denke ich, heute noch wenig gehabt. Komm, setz dich", sagte er, zu Wiseli gewandt, das immer noch auf demselben Fleck stand, sein Bündelchen in der Hand. Es gehorchte. Jetzt holte die Tante Most und K?se und legte das gro?e Schwarzbrot auf den Tisch. Der Onkel schnitt ein tüchtiges Stück ab und legte eine Scheibe K?se darauf, dann schob er es vor das Kind hin. "Da, i?, Kleines, du wirst Hunger haben."

"Nein, ich danke", sagte Wiseli leise. Es h?tte keinen Bissen hinunterschlucken k?nnen, denn Leid und Angst und Weh schnürten ihm so den Hals zu, da? es kaum atmen konnte.

Die Buben standen immer noch da und starrten es an. "Mu?t dich nicht fürchten", sagte der Onkel ermunternd, "i? nur zu." Aber das Wiseli sa? unbeweglich da und rührte sein Brot nicht an. Die Tante war bis jetzt auch stehengeblieben und hatte das Kind angeschaut von oben bis unten, mit beiden Armen in die Seite gestemmt. "Wenn's dir nicht recht ist, so kannst du's bleiben lassen", sagte sie nun, drehte sich um und ging wieder in die Küche.

Als der Onkel sich gest?rkt hatte, stand er auf und sagte: "Nimm's in die Tasche, nachher hast du sicher Hunger. Mu?t dich nur nicht fürchten." Damit ging er auch in die Küche hinaus. Wiseli wollte gehorchen und das K?sebrot in die Tasche stecken, aber diese war viel zu klein. Es legte das Brot wieder auf den Tisch.

"Ich will dir schon helfen", sagte Ch?ppi, schnappte das Brot vom Tisch weg und wollte abbei?en. Es flog aber in die Luft, denn der Hans hatte von unten herauf Ch?ppis Hand einen tüchtigen Sto? gegeben, damit ihm die Beute entfalle und er sie erwische. In dem Augenblick aber huschte der Rudi schnell auf den Boden und haschte den Fang weg. Jetzt stürzten die beiden Gr??eren auf ihn, und einer fiel über den anderen her. Und nun gab es ein Schlagen und Raufen und L?rmen und Heulen, da? es dem Wiseli angst und bange wurde.

Der Vater ?ffnete wieder die Küchentür und rief: "Was ist los?"

Da schrien die drei Buben am Boden alle durcheinander.

"Das Wiseli wollte nichts"

"Das Wiseli hatte keinen Hunger!"

"Weil das Wiseli keins wollte!"

Da rief der Vater noch lauter: "Wenn das nicht aufh?rt da drinnen, so will ich mit dem Lederriemen kommen!" Dann schlug er die Tür wieder zu. Das 'da drinnen'; h?rte aber noch nicht auf, sondern als die Tür zu war, ging's erst recht los. Denn der Hans hatte entdeckt, da? es das wirksamste Mittel sei, den Feind zu erschrecken, ihm in die Haare zu fahren, was die anderen sogleich auch begriffen. Und so rissen sie nun alle drei jeder mit beiden H?nden an den Haaren eines anderen und schrien dazu fürchterlich.

In der Küche sa? die Tante auf einem Schemel und sch?lte Kartoffeln.

Als ihr Mann die Stubentür wieder geschlossen hatte, fragte sie:

"Was hast du mit dem Kind vor? Warum hast du es gleich mit

heimgenommen?"

"Es wird, denke ich, bei jemandem sein müssen. Ich bin der Patenonkel und andere Verwandte hat es keine mehr. Und du kannst es ja schon brauchen. Das Wiseli kann dir im Haushalt helfen. Du sagst ja immer, die Buben machen dir viel Arbeit."

"Das wird eine sch?ne Hilfe sein. Du kannst ja h?ren, wie es zugeht drinnen in der ersten Viertelstunde schon, da? es da ist."

"Das habe ich schon manchmal geh?rt, schon bevor das Kleine da war.

Es hat, denke ich, nicht viel damit zu tun", sagte der Onkel ruhig.

"So", entgegnete die Tante eifrig, "hast du denn nicht geh?rt, da? sie alle miteinander etwas von dem Wiseli riefen?"

"Sie schreien doch immer", meinte der Onkel. "Mit der Kleinen wirst du, denke ich, noch fertig werden. Sie ist kein b?sartiges Kind, das habe ich schon gemerkt. Sie kann auch folgen, besser als die Buben."

Das war der Tante fast zu viel. "Ich meine, es sei nicht n?tig, da? man es jetzt schon gegen die Buben aufhetzt", sagte sie und ri? die H?ute immer schneller von den Kartoffeln. "Und dann m?chte ich nur wissen, wo das Kind schlafen soll."

Der Onkel schob ein paarmal die Kappe auf seinem Kopf hin und her, dann sagte er ruhig: "Man kann nicht alles an einem Tag machen. Es wird wohl bis jetzt in einem Bett geschlafen haben, denke ich, und das wird es wieder bekommen. Morgen will ich dann zum Pfarrer gehen. Heute kann es auf der Ofenbank schlafen, da ist's ja warm. Dann kann man einen Vorschlag machen, wo es in unsere Kammer hineingeht. Da kann man sein Bett hineinschieben."

"Ich habe mein Lebtag nie geh?rt, da? man zuerst das Kind bringt und dann acht Tage nachher das Bett, das dazu geh?rt. Und dann m?chte ich auch wissen, wer das bezahlen mu?, wenn man noch bauen soll, um des Kindes willen."

"Wenn uns die Gemeinde das Kleine zuerkennt, so mu? sie uns auch etwas für den Unterhalt geben", erkl?rte der Onkel. "Ich nehme es dann noch immer billiger an, als ein anderer es tun würde. Es fühlt sich auch am wohlsten bei uns."

Mit dieser überzeugung ging der Onkel in den Stall hinaus und rief noch zurück, der Ch?ppi soll ihm nachkommen. Es war schwierig für die Tante, sich Geh?r zu verschaffen drinnen in der Stube, als sie den Auftrag ausrichten wollte. Da rauften und schrien die drei noch immer. "Es wundert mich nur, da? du so zusiehst und kein Wort zum Frieden sagst." rief die Tante dem Wiseli zu, das sich scheu an die Wand drückte und sich kaum zu rühren wagte.

Nun wurde der Ch?ppi in den Stall geschickt, und die beiden anderen liefen ihm nach. "Kannst du stricken?" fragte dann die Tante das Wiseli. Es sagte schüchtern ja, Strümpfe k?nne es stricken. "So nimm die", sagte die Tante und nahm aus dem Schrank einen gro?en braunen Strumpf heraus mit einem Garn, fast so dick wie Wiselis Finger. "Du bist am Fu?, gib acht, da? er nicht zu kurz wird, er ist für den Onkel."

Nun ging sie wieder in die Küche, und Wiseli setzte sich auf die Ofenbank und mu?te den langen Strumpf auf seinem Scho? zusammenhalten. Der war so schwer, da? er ihm ganz die H?nde herunterzog, wenn er hing, so da? es die Nadeln nicht führen konnte. Es hatte aber kaum recht angefangen mit seiner Arbeit, als die Tante wieder hereinkam. "Du kannst jetzt herauskommen in die Küche", sagte sie. "Du kannst sehen, wie ich alles mache, so kannst du mir an die Hand gehen nach und nach."

Wiseli gehorchte und sah drau?en der Tante zu, soviel es konnte. Aber immer schossen ihm wieder die Tr?nen in die Augen, und dann sah es nichts mehr. Denn es mu?te denken, wie es gewesen war, wenn es der Mutter nachlief in die Küche, und wie sie mit ihm redete und es immer wieder streichelte. Es fühlte aber, da? es nicht weinen dürfe, und schluckte und schluckte, da? es fast meinte, es werde erwürgt. Die Tante sagte ein paarmal: "Gib acht! So wei?t du's nachher."

So ging es eine gute Zeitlang, dann h?rte man ein lautes Gestampfe auf dem Hausgang. "Mach schnell die Tür auf, sie kommen", sagte die Tante. Denn der L?rm kam vom Onkel und den Buben her, die drau?en den Schnee von den Schuhen stampften. Wiseli machte die Tür zu Stube auf, und die Tante hob eine gro?e Pfanne vom Feuer und lief damit in die Stube hinein, wo sie den ganzen Haufen gebratener Kartoffeln auf den Schiefertafeltisch schüttete. Dann rannte sie zurück, brachte ein gro?es Becken voll saurer Milch herein und sagte: "Leg auf den Tisch, was in der Schublade liegt, so k?nnen sie essen."

Wiseli zog schnell die Schublade auf, da lagen fünf L?ffel und fünf

Messer, die legte es hin, und nun war der Abendtisch fertig. Der

Onkel und die Buben waren hereingekommen und sa?en gleich auf den

B?nken am Tisch den Fenstern entlang. Unten am Tisch stand ein

Stuhl, darauf hin wies nun der Onkel und sagte: "Es kann, denke ich,

dort sitzen, oder nicht?"

"Freilich", sagte die Tante, die auch einen Stuhl für sich bereit hatte, auf der Seite gegen die Küche zu. Sie sa? aber nur eine Sekunde darauf still, dann lief sie wieder in die Küche, kam zurück und setzte sich geschwind wieder zu einem L?ffel voll Milch nieder. Dann lief sie von neuem hinaus. Es wu?te niemand, warum das so sein mu?te, denn das Kochen war ja beendet. Aber es war immer so, und wenn der Onkel einmal sagte: "Sitz doch und i? einmal", so kam sie erst recht in Eile und sagte, sie habe nicht Zeit, so lange zu sitzen, und drau?en werde wohl jemand nachsehen müssen. Als sie jetzt zum zweitenmal hereingeschossen kam und eilig eine Kartoffel sch?lte, fiel ihr Wiselis Unt?tigkeit auf, das neben ihr sa?, die H?nde in den Scho? gelegt. "Warum i?t du nicht?" fuhr sie es an.

"Es hat keinen L?ffel", sagte Rudi, der auf der anderen Seite neben ihm sa? und schon lange den Grund herausgefunden hatte, warum jemand an einem Tisch sitzen kann, ohne zu essen, solange noch etwas da ist.

"Ja so", sagte die Tante. "Wem w?re es aber auch in den Sinn gekommen, da? man auf einmal sechs L?ffel haben mu?? Man brauchte ja immer nur fünf, und ein Messer wird auch sein müssen. Warum kannst du aber auch nichts sagen? Du wirst wohl wissen, da? man zum Essen einen L?ffel braucht." Diese Worte waren an das Wiseli gerichtet.

Es schaute die Tante scheu an und sagte leise: "Es ist gleich, ich brauche keinen, ich habe keinen Hunger."

"Warum nicht?" fragte die Tante. "Bist du's anders gew?hnt? Ich habe nicht im Sinn, was zu ?ndern."

"Es ist wohl besser, wenn man das Kleine zuerst ein wenig in Ruhe l??t. Man mu? ihm keine Angst machen", sagte der Onkel beschwichtigend. "Es wird schon besser werden."

Nun lie? man das Wiseli in Ruhe, die anderen a?en weiter. Das Kind sa? unbeweglich dabei, bis endlich der Vater aufstand, noch einmal die Pelzkappe vom Nagel nahm und nach der Stallaterne suchte, denn der Fleck sei krank geworden, da mu?te er noch einmal hinaus. Der Tisch war schnell wieder in Ordnung. Die Kartoffelschalen wurden mit den H?nden in das leere Milchbecken heruntergewischt, dann die Schiefertafel abgewaschen, und als die Tante damit fertig war, sagte sie zu Wiseli: "Du hast gesehen, wie ich's mache, das kannst du von nun an tun."

Jetzt setzte sich der Ch?ppi wieder hinter den Tisch. Er hatte seinen Griffel und sein Rechenbuch geholt und machte Anstalten, seine Rechnungsaufgaben vor sich auf den Tisch zu schreiben. Erst starrte er aber eine Weile auf das Wiseli hin, das seinen braunen Strumpf wieder vorgenommen hatte, aber sehr hilflos dasa?, denn es konnte keine Masche sehen in seinem Winkel. Und sich an den Tisch zu setzen, auf dem die trübe ?llampe stand, wagte es nicht.

"Du wirst auch etwas tun k?nnen", rief auf einmal Ch?ppi erbost zu ihm hinüber, "du bist nicht das Geschickteste in der Schule."

Wiseli wu?te nicht, was es sagen sollte, es war ja gar nicht in der Schule gewesen heute und es wu?te nicht, was zu tun war. Es war ja überhaupt ganz aus aller Ordnung und Fassung. "Wenn ich rechnen mu?, so mu?t du auch, oder dann tu ich's auch nicht", rief der Ch?ppi wieder. Wiseli hielt sich m?uschenstill. "So, dann ist's recht", fuhr Ch?ppi l?rmend fort, "so tu ich keinen Strich mehr an der Arbeit." Damit warf er seinen Griffel weg.

"So, so, dann tu ich auch nichts", rief der Hans aus und steckte ganz erleichtert sein Einmaleins wieder in den Schulsack, denn das Lernen war ihm das Bitterste, das er kannte.

"Ich will es schon dem Lehrer sagen, wer an allem schuld ist", fing Ch?ppi wieder an, "du kannst dann nur sehen, wie es dir geht." So h?tte Ch?ppi wohl noch eine Zeitlang seinem b?sen Wesen Luft gemacht, wenn nicht der Vater schon aus dem Stall zurückgekommen w?re. Er trug zwei gro?e, leere Futters?cke auf der Schulter herein und kam damit auf den Tisch zu.

"Mach Platz", sagte er zu Ch?ppi, der beide Ellbogen auf den Tisch gestemmt hielt und den Kopf in die H?nde stützte. Dann breitete er die S?cke aus, faltete sie zusammen, noch einmal und noch einmal. Danach ging er zur Ofenbank und legte das Paket darauf hin. "So", sagte er befriedigt, "das ist gut. Und wo hast du dein Bündelchen, Kleines?"

Wiseli holte es aus einer Ecke hervor, wo es bis jetzt gelegen hatte, und schaute mit Erstaunen zu, wie der Onkel das Bündelchen am oberen Ende des Pakets auf die Ofenbank hin drückte, da? es nicht so ganz kugelrund bleibe.

"So, da kannst du schlafen", sagte er nun zu Wiseli. "Frieren mu?t du nicht, der Ofen ist hei?, und auf das Bündelchen kannst du den Kopf legen. So liegst du wie im Bett. Und mit euch dreien ist's auch Zeit. Rasch ins Bett!" Damit nahm er die ?llampe vom Tisch und ging zur Küche, die drei Buben stampften hinter ihm her. Bei der Tür wandte er sich noch einmal um und sagte: "Schlaf gut. Mu?t nicht mehr nachdenken heute, denn es kommt dann schon besser."

Dann ging er hinaus. Nun kam die Tante noch einmal herein mit einem ?ll?mpchen in der Hand und betrachtete das Lager. "Kannst du liegen da?" fragte sie. "Du hast es ja warm hier am Ofen, manches hat kein Bett und mu? dazu erst noch frieren. Es kann dir auch noch so gehen, sei du nur froh, da? du einstweilen unter einem guten Dach bist. Gute Nacht!"

"Gute Nacht!" sagte Wiseli leise. Die Tante hatte es aber jedenfalls nicht geh?rt, denn sie war schon halb drau?en, als sie gute Nacht wünschte, und hatte die Tür gleich hinter sich zugemacht. Jetzt sa? Wiseli da in der dunklen Stube, alles war auf einmal ganz still ringsum, es h?rte keinen Ton mehr. Der Mond schien ein wenig durch das eine Fenster herein, so da? Wiseli wieder erkennen konnte, wo die Ofenbank war, worauf es schlafen sollte. Es ging nun gleich hin und setzte sich auf sein Lager.

Zum erstenmal heute, seit es die Mutter verlassen hatte, war es nun allein und konnte sich besinnen. Die ganze Zeit bis jetzt war es in einer steten Spannung gewesen, denn alles hatte ihm Angst und Furcht eingefl??t, was es gesehen und geh?rt hatte, seit es von der Mutter weg war. Und noch hatte es gar nicht weiter gedacht, nur von einem Augenblick auf den anderen sich gefürchtet. Nun sa? es da, zum erstenmal in seinem Leben ohne die Mutter, und ganz klar und deutlich kam ihm nun der Gedanke, da? es sie nie mehr sehen werde, da? es nie mehr mit ihr reden und sie h?ren k?nnte. Jetzt kam auf einmal ein solches Gefühl der Verlassenheit über das Wiseli, da? es ihm gerade vorkam, als sei es mutterseelenallein und verloren auf der Welt und gar kein Mensch kümmere sich mehr um es, und so müsse es nun ganz allein und im Dunkeln bleiben und umkommen.

Und über das Wiseli kam ein solches Elend, da? es den Kopf auf sein Bündelchen drückte, ganz bitterlich zu weinen anfing und trostlos sagte: "Mutter, kannst du mich nicht h?ren? Mutter, h?rst du mich nicht?"

Aber die Mutter hatte dem Wiseli oft gesagt, wenn es einem Menschen schlimm gehe und er leiden müsse, dann sei er froh, da? er zum lieben Gott im Himmel schreien k?nne. Der h?re ihn immer an und wolle ihm gern helfen, wenn gar keine Menschen ihm mehr zuh?ren wollen oder helfen k?nnen. Das kam dem Wiseli in den Sinn, und es richtete sich wieder auf und stie? schluchzend hervor: "Ach, lieber Gott im Himmel, hilf mir auch. Es ist mir so angst, und die Mutter h?rt mich nicht mehr!" Und so betete es zwei- oder dreimal, und dann wurde es ein wenig stiller und ruhiger. Es fühlte sich getr?stet, da doch der liebe Gott im Himmel noch da war, zu dem es eben gerufen hatte. So war es doch nicht ganz, ganz allein.

Jetzt erinnerte es sich auch an die Worte, die ihm die Mutter ganz zuletzt noch gesagt hatte: "Wenn du einmal keinen Weg mehr vor dir siehst und es dir ganz schwer wird..." So war es jetzt schon gekommen, und doch hatte es noch nicht gewu?t, wie das kommen konnte, als die Mutter so sagte. Dann, hatte sie gesagt, solle es daran denken, wie es hei?e in seinem Lied:

("Er wird auch Wege finden,

Wo dein Fu? gehen kann.")

Jetzt verstand auch Wiseli mit einemmal, was die Worte bedeuteten, die es vorher nur so hingesagt hatte, denn es hatte noch nie Angst gehabt. Aber jetzt war es ja geradeso, da? es gar keinen Weg mehr vor sich sah und dachte, mit ihm sei es ganz aus. Denn vor ihm stand gar nichts mehr als ein gro?er Schrecken vor jedem Augenblick im Haus des Onkels. Es kam aber jetzt ein rechter Trost in sein Herz, wie es wieder und wieder so sagte:

("Er wird auch Wege finden,

Wo dein Fu? gehen kann.")

So hatte Wiseli noch gar nie empfunden, was es sei, einen lieben Gott im Himmel zu haben, zu dem man rufen kann, wenn man sonst von niemanden mehr geh?rt wird. Nie bis jetzt hatte es gewu?t, wie gut das tun kann. Es faltete jetzt ganz still seine H?nde und fing sein Lied von vorn an, denn es wollte so gern noch etwas mehr vor dem lieben Gott sagen und zu ihm beten. Es sagte auch jedes Wort mit seinem ganzen Herzen, wie nie zuvor:

("Befiehl du deine Wege,

Und was dein Herze kr?nkt,

Der allertreusten Pflege

Des, der den Himmel lenkt.)

(Der Wolken, Luft und Winden

Gibt Wege, Lauf und Bahn,

Er wird auch Wege finden,

Wo dein Fu? gehen kann.")

Es war eine beruhigende Zuversicht ins Herz des Kindes gefallen. Nachdem es mit Vertrauen die letzten Worte noch einmal gesagt hatte, legte es seinen Kopf wieder auf das Bündelchen und schlief augenblicklich ein.

Jetzt tr?umte das Wiseli, es sehe einen sch?nen, wei?en Weg vor sich, ganz trocken und hell von der Sonne beschienen, der ging zwischen lauter roten Nelken und Rosen durch und war so verlockend anzusehn, da? man gleich h?tte darauf hüpfen und springen m?gen. Und neben dem Wiseli stand seine Mutter und hielt es liebevoll bei der Hand, wie immer, und dabei zeigte sie auf den Weg hin und sagte: "Sieh, Wiseli, das ist dein Weg! Habe ich nicht zu dir gesagt:

("Er wird auch Wege finden,

Wo dein Fu? gehen kann?")

Und das Wiseli war sehr glücklich in seinem Traum, und auf seinem

Bündelchen schlief es so gut, als l?ge es in einem weichen Bett.

            
            

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