Also Sprach Zarathustra
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Chapter 8 No.8

Als Zarathustra diess zu seinem Herzen gesagt hatte, lud er den Leichnam auf seinem Rücken und machte sich auf den Weg. Und noch nicht war er hundert Schritte gegangen, da schlich ein Mensch an ihn heran und flüsterte ihm in's Ohr - und siehe! Der, welcher redete, war der Possenreisser vom Thurme. "Geh weg von dieser Stadt, oh Zarathustra, sprach er; es hassen dich hier zu Viele. Es hassen dich die Guten und Gerechten und sie nennen dich ihren Feind und Ver?chter; es hassen dich die Gl?ubigen des rechten Glaubens, und sie nennen dich die Gefahr der Menge.

Dein Glück war es, dass man über dich lachte: und wahrlich, du redetest gleich einem Possenreisser. Dein Glück war es, dass du dich dem todten Hunde geselltest; als du dich so erniedrigtest, hast du dich selber für heute errettet. Geh aber fort aus dieser Stadt - oder morgen springe ich über dich hinweg, ein Lebendiger über einen Todten." Und als er diess gesagt hatte, verschwand der Mensch; Zarathustra aber gieng weiter durch die dunklen Gassen.

Am Thore der Stadt begegneten ihm die Todtengr?ber: sie leuchteten ihm mit der Fackel in's Gesicht, erkannten Zarathustra und spotteten sehr über ihn. "Zarathustra tr?gt den todten Hund davon: brav, dass Zarathustra zum Todtengr?ber wurde! Denn unsere H?nde sind zu reinlich für diesen Braten. Will Zarathustra wohl dem Teufel seinen Bissen stehlen? Nun wohlan! Und gut Glück zur Mahlzeit! Wenn nur nicht der Teufel ein besserer Dieb ist, als Zarathustra! - er stiehlt die Beide, er frisst sie Beide!" Und sie lachten mit einander und steckten die K?pfe zusammen.

Zarathustra sagte dazu kein Wort und gieng seines Weges. Als er zwei Stunden gegangen war, an W?ldern und Sümpfen vorbei, da hatte er zu viel das hungrige Geheul der W?lfe geh?rt, und ihm selber kam der Hunger. So blieb er an einem einsamen Hause stehn, in dem ein Licht brannte.

Der Hunger überf?llt mich, sagte Zarathustra, wie ein R?uber. In

W?ldern und Sümpfen überf?llt mich mein Hunger und in tiefer Nacht.

Wunderliche Launen hat mein Hunger. Oft kommt er mir erst nach der

Mahlzeit, und heute kam er den ganzen Tag nicht: wo weilte er doch?

Und damit schlug Zarathustra an das Thor des Hauses. Ein alter Mann erschien; er trug das Licht und fragte: "Wer kommt zu mir und zu meinem schlimmen Schlafe?"

"Ein Lebendiger und ein Todter, sagte Zarathustra. Gebt mir zu essen und zu trinken, ich vergass es am Tage. Der, welcher den Hungrigen speiset, erquickt seine eigene Seele: so spricht die Weisheit."

Der Alte gieng fort, kam aber gleich zurück und bot Zarathustra Brod und Wein. "Eine b?se Gegend ist's für Hungernde, sagte er; darum wohne ich hier. Thier und Mensch kommen zu mir, dem Einsiedler. Aber heisse auch deinen Gef?hrten essen und trinken, er ist müder als du." Zarathustra antwortete: "Todt ist mein Gef?hrte, ich werde ihn schwerlich dazu überreden." "Das geht mich Nichts an, sagte der Alte mürrisch; wer an meinem Hause anklopft, muss auch nehmen, was ich ihm biete. Esst und gehabt euch wohl!" -

Darauf gieng Zarathustra wieder zwei Stunden und vertraute dem Wege und dem Lichte der Sterne: denn er war ein gewohnter Nachtg?nger und liebte es, allem Schlafenden in's Gesicht zu sehn. Als aber der Morgen graute, fand sich Zarathustra in einem tiefen Walde, und kein Weg zeigte sich ihm mehr. Da legte er den Todten in einen hohlen Baum sich zu H?upten - denn er wollte ihn vor den W?lfen schützen - und sich selber auf den Boden und das Moos. Und alsbald schlief er ein, müden Leibes, aber mit einer unbewegten Seele.

            
            

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