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Als Zarathustra von der Stadt Abschied genommen hatte, welcher sein Herz zugethan war und deren Name lautet: "die bunte Kuh" - folgten ihm Viele, die sich seine Jünger nannten und gaben ihm das Geleit. Also kamen sie an einen Kreuzweg: da sagte ihnen Zarathustra, dass er nunmehr allein gehen wolle; denn er war ein Freund des Alleingehens. Seine Jünger aber reichten ihm zum Abschiede einen Stab, an dessen goldnem Griffe sich eine Schlange um die Sonne ringelte. Zarathustra freute sich des Stabes und stützte sich darauf; dann sprach er also zu seinen Jüngern.
Sagt mir doch: wie kam Gold zum h?chsten Werthe? Darum, dass es ungemein ist und unnützlich und leuchtend und mild im Glanze; es schenkt sich immer.
Nur als Abbild der h?chsten Tugend kam Gold zum h?chsten Werthe.
Goldgleich leuchtet der Blick dem Schenkenden. Goldes-Glanz schliesst
Friede zwischen Mond und Sonne.
Ungemein ist die h?chste Tugend und unnützlich, leuchtend ist sie und mild im Glanze: eine schenkende Tugend ist die h?chste Tugend.
Wahrlich, ich errathe euch wohl, meine Jünger: ihr trachtet, gleich mir, nach der schenkenden Tugend. Was h?ttet ihr mit Katzen und W?lfen gemeinsam?
Das ist euer Durst, selber zu Opfern und Geschenken zu werden: und darum habt ihr den Durst, alle Reichthümer in euren Seele zu h?ufen.
Uners?ttlich trachtet eure Seele nach Sch?tzen und Kleinodien, weil eure Tugend uners?ttlich ist im Verschenken-Wollen.
Ihr zwingt alle Dinge zu euch und in euch, dass sie aus eurem Borne zurückstr?men sollen als die Gaben eurer Liebe.
Wahrlich, zum R?uber an allen Werthen muss solche schenkende Liebe werden; aber heil und heilig heisse ich diese Selbstsucht.
Eine andre Selbstsucht giebt es, eine allzuarme, eine hungernde, die immer stehlen will, jene Selbstsucht der Kranken, die kranke Selbstsucht.
Mit dem Auge des Diebes blickt sie auf alles Gl?nzende; mit der Gier des Hungers misst sie Den, der reich zu essen hat; und immer schleicht sie um den Tisch der Schenkenden.
Krankheit redet aus solcher Begierde und unsichtbare Entartung; von siechem Leibe redet die diebische Gier dieser Selbstsucht.
Sagt mir, meine Brüder: was gilt uns als Schlechtes und Schlechtestes? Ist es nicht Entartung? - Und auf Entartung rathen wir immer, wo die schenkende Seele fehlt.
Aufw?rts geht unser Weg, von der Art hinüber zur über-Art. Aber ein
Grauen ist uns der entartende Sinn, welcher spricht: "Alles für mich."
Aufw?rts fliegt unser Sinn: so ist er ein Gleichniss unsres Leibes, einer Erh?hung Gleichniss. Solcher Erh?hungen Gleichnisse sind die Namen der Tugenden.
Also geht der Leib durch die Geschichte, ein Werdender und ein
K?mpfender. Und der Geist - was ist er ihm? Seiner K?mpfe und Siege
Herold, Genoss und Wiederhall.
Gleichnisse sind alle Namen von Gut und B?se: sie sprechen nicht aus, sie winken nur. Ein Thor, welcher von ihnen Wissen will!
Achtet mir, meine Brüder, auf jede Stunde, wo euer Geist in
Gleichnissen reden will: da ist der Ursprung eurer Tugend.
Erh?ht ist da euer Leib und auferstanden; mit seiner Wonne entzückt er den Geist, dass er Sch?pfer wird und Sch?tzer und Liebender und aller Dinge Wohlth?ter.
Wenn euer Herz breit und voll wallt, dem Strome gleich, ein Segen und eine Gefahr den Anwohnenden: da ist der Ursprung eurer Tugend.
Wenn ihr erhaben seid über Lob und Tadel, und euer Wille allen Dingen befehlen will, als eines Liebenden Wille: da ist der Ursprung eurer Tugend.
Wenn ihr das Angenehme verachtet und das weiche Bett, und von den Weichlichen euch nicht weit genug betten k?nnt: da ist der Ursprung eurer Tugend.
Wenn ihr Eines Willens Wollende seid, und diese Wende aller Noth euch
Nothwendigkeit heisst: da ist der Ursprung eurer Tugend.
Wahrlich, ein neues Gutes und B?ses ist sie! Wahrlich, ein neues tiefes Rauschen und eines neuen Quelles Stimme!
Macht ist sie, diese neue Tugend; ein herrschender Gedanke ist sie und um ihn eine kluge Seele: eine goldene Sonne und um sie die Schlange der Erkenntniss.