Chapter 7 No.7

Streng ward der Winter, der frühzeitig mit K?lte begonnen hatte. Die Folgen des Mi?wachses vom letzten Jahr bekamen die Salzburger zu fühlen, es trat Teuerung, Kornmangel ein, und die Armen überliefen die Ratsherren, bestürmten den Bürgermeister, auf da? dieser Hilfe schaffe. Ludwig Alt hatte ein Herz für die Notleidenden, er gab willig aus eigenen Mitteln, beriet sich mit den Mitgliedern des engeren Rates, sprach wohl auch mit dem Stadtkastner, aber mit den geringen Mitteln aus der Stadtkasse konnte der Kalamit?t in keiner Weise begegnet werden.

So mu?te von selbst der Gedanke entstehen, den Landesherrn um Hilfe anzugehen, Wolf Dietrich zu bitten, einzugreifen. In einer Ratssitzung ward dieser Gedanke ausgesprochen und sogleich mit epischer Breite debattiert, wobei an verschiedenen Ma?nahmen des Fürsten bitterb?se Kritik geübt wurde. Sagte ein Ratsherr offen, da? die Verabreichung der Ritterzehrung an fremde Landsknechte ein Frevel sei, indessen die eigenen Unterthanen Not litten, ein anderer Senator beklagte mit leidenschaftlich erregten Worten die schwere Sch?digung des Handels durch die rücksichtslos eingetriebenen Steuern und donnerte gegen den Langmut der Salzburger, die sich vom verschwenderischen Landesherrn v?llig auspressen lie?en. Vergeblich wehrte der Bürgermeister solchen scharfen Worten durch die Glocke, die Redner lie?en sich nicht beirren, auch nicht, als Ludwig Alt durch Zwischenbemerkungen auf die Gefahr aufmerksam machte, die entst?nde, wenn der Fürst von solchen b?sen Worten Kenntnis erlange. Bürger, die nicht stimmberechtigt in der Landschaft waren, machten ihrem Unwillen Luft, da? der Ausschu? stets Ja und Amen zu den unertr?glichen Steuermandaten sage und sogar mehr bewillige, als der Fürst gefordert, wie das bei der Türkensteuer der Fall gewesen sei. Bei einem so überaus klugen, scharfsehenden Herrn müsse die überzeugung kommen, da? die Bürgerschaft noch mehr geschr?pft werden k?nne, und es werde nicht lange mehr dauern, so habe man eine neue Bescherung auf dem Hals: die Landsknechtsteuer.

Schwitzend vor Angst rief der Bürgermeister dem Redner ein ?Haltet ein!" zu, doch unentwegt polterte dieser weiter und führte aus, da? es h?chste Zeit sei, dem Fürsten klar zu machen: Weiter gehe es nicht mehr! Wolle der Erzbischof das Landsknechtgesindel nobel verpflegen, so solle er das aus eigenem S?ckel bestreiten.

Stundenlang w?hrte die scharfe Debatte, bis sich die Redewut ersch?pfte und der Bürgermeister die Sitzung schlie?en konnte, die nach der praktischen Seite hin nicht das geringste Ergebnis aufwies. Ludwig Alt überlegte in seiner Amtsstube lange, was zu beginnen sei, um Wolf Dietrich zum Eingreifen zu bewegen. Die Entsendung einer st?dtischen Deputation erschien aus dem Grunde sehr bedenklich, weil der Fürst m?glicherweise von den abf?lligen Reden Kenntnis haben oder aus unvorsichtigen Bemerkungen mutma?en k?nnte, da? scharfe Kritik im Stadthause geübt worden sei. Ludwig Alt hatte seine eigene Unvorsichtigkeit beim damaligen Bankett nicht vergessen und sich hinterdrein selbst die bittersten Vorwürfe über die seinerzeitige Schwatzhaftigkeit gemacht, wenngleich es an sich wahrscheinlich gewesen war, da? der in Steuerangelegenheiten so überaus findige Landesherr auch auf die Weinbelastung gekommen w?re. Nach den gef?hrlich scharfen Reden einzelner Ratsherren dem Fürsten pers?nlich die Bitte um Hilfe aus Landesmitteln zu unterbreiten, wagte der Bürgermeister nicht; zwei seiner intimsten Vertrauten, die bei ihm in der Amtsstube sa?en, sprachen sich auf Befragen auch dahin aus, da? der schriftliche Weg sicherer und weniger gef?hrlich sei. Und so lie? denn der Bürgermeister eine Bittschrift in beweglichen Worten vom Syndikus s?uberlich schreiben, die dann mit den n?tigen Unterschriften versehen und an den Erzbischof in die Residenz geschickt wurde.

Gro?e Erwartungen hegte der Bürgermeister nicht, so sehr er für die Armen baldige Hilfe wünschte. Zum gro?en Erstaunen Ludwig Alts erschien schon am n?chsten Tage ein Beamter im fürstlichen Auftrage und vermeldete dem Stadtoberhaupt, da? der Landesherr mit Betrübnis von der Bittschrift Kenntnis genommen und Befehl erteilt habe, es solle an die vom Bürgermeister zu bezeichnenden Armen Korn in hinreichender Menge aus der stiftischen Kornkammer unentgeltlich verabreicht werden. Bestünde sonst noch Bedarf in Kreisen, die einigerma?en über Geldmittel verfügen k?nnen, so sollten diese Sippen Korn zu erm??igtem Preise erhalten. Der Beamte fügte dem bei: ?Hochfürstliche Gnaden versehen sich bei diesem Gnadenakte keinerlei Dankes, Hochdieselben wollen damit nur beweisen, da? das Herz des Landesherrn allzeit schlage für die Unterthanen."

Der Bürgermeister in ma?loser überraschung empfand das mi?liche Schlingen und Würgen im Hals, das ihm schon einigemal so überaus fatal geworden ist und immer just dann, wenn Alt schnell und doch wohlgesetzt sprechen sollte. Jetzt hei?t es den tiefgefühlten Dank der Stadt in passende Worte kleiden. Rede einer aber gut und sch?n in einer überraschung, die jeglichen Gedanken l?hmt! Ludwig Alt ?chzte, er k?mpfte um Worte und gegen Willen und Absicht kam es über die zuckenden Lippen: ?Die unterth?nige Stadt dankt Seiner Hochfürstlichen Gnaden, sie h?tt' es nicht geglaubt...."

?Wie meint der Herr Bürgermeister?" fragte erstaunt der Beamte.

?Ich h?tt's nicht geglaubt!"

?Was?"

?Die Hilf' vom gn?digen Fürsten, nein, will sagen, ich glaub's eigentlich nicht, sieht ihm nicht gleich...."

Die Augen des fürstlichen Beamten wurden immer gr??er.

?Mit Vergunst! Mir nimmt die freudige überraschung die Gab' der Rede! Auf die b?sen Reden doch die Hilf', schier kann ich's nicht glauben...." stammelte in h?chster Verwirrung der Bürgermeister.

?Eurer Rede Sinn will mir nicht klar erscheinen, drum bitt' ich Euch, deutlicher zu werden, auf da? Bericht ich kann erstatten dem gn?digsten Herrn!"

?Das ging mir just noch ab! Nein, nein, verzeiht, vieledler Herr - den schuldigen Dank will schriftlich ich erstatten, das geht leichter und derweil legt sich alles. Ist's Euch genehm, wollen wir gleich vornehmen die Verteilung! Nicht l?nger mehr sollen die Armen hungern! Dank, Dank dem gn?digen Fürsten! Er hat halt doch das Herz am rechten Fleck und Mitgefühl für die notleidende Menschheit!"

?Das haben Hochfürstliche Gnaden noch jederzeit erklecklich bekundet, daher will befremden mich der Ton Eurer Rede!"

?Mit Vergunst, mit nichten! Achtet nicht auf Ton und Wort, mir ist die

Gab' der Rede nicht beschieden!"

Der fürstliche Hofbeamte schüttelte verwundert den Kopf und erkl?rte sich bereit, die Kornkammer ?ffnen zu lassen.

Der Vereinfachung halber lie? der Bürgermeister ausschellen, da? binnen einer Stunde die Armen der Stadt an der fürstlichen Kornkammer erscheinen und die Kornspende des Landesherrn in Empfang nehmen sollten.

Das gab eine freudige Bewegung in der Stadt; mit Zeggern, Bütten,

Tonnen, was eben den Leuten in die H?nde kam, ward ausgezogen, im

Sturmlauf ging's der Kornkammer zu, und ungestüm dr?ngte die Menge,

wobei es Püffe regnete und wohl auch die Kornverteiler mit Ellbogen und

F?usten der armen Leute Bekanntschaft machten.

Der Akt solcher Wohlth?tigkeit brachte einen v?lligen Umschwung in der Stimmung der Salzburger hervor, er zeitigte innige Dankbarkeit, der nur die besser situierten Kreise, die Kaufherrensippe und Gilden kühl gegenüber blieben. Wolf Dietrich ward als guter Landesvater gepriesen von den Armen.

Ludwig Alt konnte es nun wagen, pers?nlich in der Residenz zur Dankeserstattung erscheinen. Er meldete sich zur Audienz und wurde gleich vorgelassen.

Mit gewinnender Liebenswürdigkeit, huldvoll und leutselig ging Wolf Dietrich dem Bürgermeister einige Schritte im hohen Empfangssaale entgegen und begrü?te ihn mit herzlichen Worten.

Wieder empfand Ludwig Alt das fatale Würgen im Halse, doch energisch raffte der Stadtvater sich auf und sprach langsam, doch deutlich und ohne Stottern: ?Hochfürstliche Gnaden! Ich komme schuldbeladen, nein, ich komme nicht...!"

?Wie meint der Bürgermeister?"

?Meinen th?t' ich's schon recht, aber recht sagen kann ich's nicht!

Mein Gott, der Unterschied ist halt zu gro?: Da der gn?digste Herr und

Fürst, der hochwürdigste Erzbischof und ich, der einfache Bürger und

Stadtvater, der nix zu sagen hat als den unterth?nigsten Dank der Armen

für die gn?dige Hilf' mit Korn in dieser Zeit der Not und Bedr?ngnis!"

?Recht so, mein lieber Bürgermeister! Es ist ganz gut, so er des Unterschiedes sich bewu?t bleibet und den Sippenstolz zu Hause lasset. Den Dank der Armen begehr' ich nicht; es ist mir ein Bedürfnis, in solcher Not zu helfen nach Kr?ften. Ich danke Ihm für seine Meldung, in der Vertrauen ich erblicke zum Landesherrn. Wo Vertrauen, findet sich der richtige Weg, das Volk soll immer Vertrauen zu seinem Fürsten haben. Zur rechten Zeit solche Meldung über Vorg?nge lob' ich; nur will ich nicht überlaufen werden!"

?Ganz richtig! Dr?ng' dich nicht an deinen Fürst', so du nicht gerufen wirst!" plapperte Alt heraus.

Im Feuerauge Wolf Dietrichs blitzte es zornig auf und unmutig sprach der

Fürst: ?La? Er solch' Gerede! Dafür sage Er mir, wer ist nach seiner

Meinung schuld an bemeldter Teuerung?"

?Allweil der Mi?wachs, dann halt die Kornwucherer und zuletzt die

B?cker, die immer h?her hinauffahren mit den Preisen!"

?Für den Mi?wachs k?nnen wir alle miteinander nichts. Den Kornwucher hoff' ich noch zu stürzen. Wer billig kaufen will, soll Korn von mir erhalten, solang der Vorrat reicht. Die B?cker aber werd' ich Mores lehren."

?Hochfürstliche Gnaden! Das k?nnt' nicht schaden, wird aber die B?cker rebellisch machen!"

?Rebellen mehr und minder seid Ihr alle, so Euch was nicht in den

Alltagskram passet. Ich werde nachforschen lassen nach der letzten

Verkaufsordnung für die B?cker, und darnach Entschlie?ung erlassen."

Im Bürgermeister d?mmerte eine Ahnung auf, da? eine solche Ma?regel das übel nur verschlimmern müsse, weil ganz unzeitgem??. Ludwig Alt fand pl?tzlich die Gewalt über Gedankengang und Sprache wieder und setzte dem Gebieter klar auseinander, da? Wiederaufrichtung einer veralteten Ordnung nicht nur bei den B?ckern, sondern auch im Volke selbst Unwillen hervorrufen müsse. Es liege im Zug der Zeit, da? alle Lebensmittel teurer werden, es lasse sich daher ein Preis aus früherer Zeit nicht erzwingen ohne Gewichtsverringerung.

?Ich werde solche Verringerung bestrafen!"

?Dann wandern uns auch noch die B?cker aus!"

Wolf Dietrich horchte auf; das Wort der Auswanderung machte ihn nach den letzten Erfahrungen stutzig, erregte stets seinen Unwillen. ?Genug davon! Ihr werdet das weitere noch vernehmen! Vermeldet meinen Gru? den Unterthanen!"

Damit war der Bürgermeister entlassen.

Bald darauf fand im Arbeitskabinett eine Beratung statt, zu welcher einige Hofr?te und der in Steuerangelegenheiten ma?gebende Dr. Lueger befohlen waren. Zu Graf Lamberg war gleichfalls geschickt worden, doch der Kapitular weilte ausw?rts.

Folgenschwer gestaltete sich diese Beratung in ihren Ergebnissen, da niemand der Herren es wagte, dem hitzigen Fürsten zu widersprechen. Wolf Dietrich dekretierte den zehnten Pfennig von aller liegenden und fahrenden Habe für jene Salzburger, die ihre Heimat verlassen, ferner ward auf Grund eines Referates der Brotverkauf nach der alten Ordnung vom Jahre 1480 befohlen. Besonders verh?ngnisvoll ward der Vortrag Dr. Luegers über die abermalige schlechte Finanzlage und die hohen Kosten, welche die Ritterzehrung verursache.

Wolf Dietrich hatte solchem Referat aufmerksam zugeh?rt und blieb eine

Weile schweigend im Stuhle sitzen. Dann verkündete er den R?ten, da?

eine Landsknechtsteuer eingehoben werden solle, und zwar von je hundert

Gulden vierundzwanzig Kreuzer.

Fr. Lueger wagte einzuwenden, da? in dieser Zeit der Teuerung die

Einhebung auf Schwierigkeiten sto?en werde; über die Ungeheuerlichkeit,

neben der Türkensteuer, welche von je hundert Gulden j?hrlich sechs

Schillinge nimmt, und all' den neueingeführten Steuern der letzten zwei

Jahre auch noch eine Landsknechtsteuer zu erheben, sprach sich der

Finanzgewaltige im Rate nicht aus.

Wolf Dietrich erwiderte, gereizt schon durch den leisen Einwand, scharf:

?Die Einhebung ist seine Sache! Kommt Er nicht durch, so mache Er's auf

Augsburger Art. Jeder Unterthan hat unter leiblichem Eide genau sein

Verm?gen anzugeben. Wer lügt, soll die ganze Schwere der Strafe

empfinden, so da sein soll: confiscatio in toto!"

Dr. Lueger guckte überrascht, verbeugte sich und murmelte: ?Euer

Hochfürstliche Gnaden Befehl soll pünktlich befolget werden!"

Nach Schlu? dieser Sitzung in der Residenz und auf dem Weg zur Kanzlei war es dem Steuerrat Lueger doch nicht so recht wohl, er empfand ein dumpfes Gefühl, da? die Augsburger Art einer Steuereinhebung im salzburgischen Lande kaum sich glatt durchführen lassen werde. Lueger wu?te wohl durch Mitteilungen eines Amtsbruders in Innsbruck, da? diese Art nach Augsburger Muster auch für Tirol geplant sei, ebenso gut wu?te er aber auch, wie schlimm es mit der Steuerkraft im Salzburgischen bestellt ist. Hinterdrein machte sich der Finanzgewaltige doch Vorwürfe, den Fürsten nicht auf die thats?chlich bestehende Schw?chung der Steuerkraft aufmerksam gemacht zu haben. Und eine Ahnung sagte Lueger, da? zum mindesten mit der Ausführung des fürstlichen Befehles etwas gewartet werden müsse. Immerhin konzipierte er den Befehl und legte das gef?hrliche Aktenstück zur Seite, hoffend auf eine Rücksprache mit dem einflu?reichen Grafen Lamberg, dem vielleicht es doch gelingen k?nnte, eine Sinnes?nderung beim Fürsten herbeizuführen.

Allein schon die n?chsten Tage brachten andere Verh?ltnisse. Der fürstliche Kastner mu?te erkl?ren, da? die Neuforderungen für Verpflegung der Landsknechte wegen Geldmangel nicht mehr befriedigt werden k?nnten, ja da? der Fürst ihn habe wissen lassen, es müsse Geld in gr??erer Menge bereit gehalten werden für würdigen Empfang einiger zu Besuch angesagten Herren, und au?erdem sei des Fürsten Almosenschatulle[9], beinahe leer.

Da hatte Dr. Lueger nun die Bescherung. Nichts als Anforderungen an die Hofkammer, Zahlbefehle in Massen, dazu kein Geld in den Kassen, Steuerrestanten überall, die Steuerkraft geschw?cht, und eine neue Steuer in Sicht, vor deren Ausschreibung dem Finanzmanne allein schon graut. Viel Zeit zum sinnieren blieb ihm nicht, denn schon am n?chsten Tage lie? der Fürst wissen, da? seine Armen ihr Almosen unter allen Umst?nden bekommen mü?ten, also Dr. Lueger Geld beschaffen müsse. Das ?Wie" sei seine Sache. Gewisse Reserven hat nun wohl jeder Finanzkünstler, Dr. Lueger hatte sie auch und schickte eine Summe Geldes an den Hofkastner. Zugleich aber und ohne auf Graf Lambergs Rückkehr zu warten, ward das Mandat fertig gestellt und die Unterschrift des Fürsten eingeholt.

Das neue Steuermandat trat in Kraft und wirkte bei der Bev?lkerung in h?chst aufregender Weise. Zuerst waren es die St?dter, die remonstrierten, den Eid zur Verm?gensangabe nicht leisten wollten. Die Kommission machte aber nicht viel Federlesens und erzwang den Eid.

Als Dr. Lueger die schriftlichen Verm?gensangaben vorliegen hatte, fand er schon bei flüchtiger Durchsicht, da? die ihm nach Gesch?ft und Verm?gen einigerma?en bekannten Leute ihren Besitz viel zu gering, also f?lschlich angegeben hatten. Wenn solche F?lschungen in der Residenzstadt schon vorkommen, wie mu? es da erst im Lande drau?en werden!

Dr. Lueger nahm sich seinen Kollegen Riz zum Assistenten und beide gingen nun gem?? dem fürstlichen Befehl mit aller Strenge an die Durchführung des neuen Mandates, und zwar bei hoch und nieder.

Bei einigen Salzburgern wurde schlankweg die Einziehung des Verm?gens als Strafe für die verübte Falschmeldung verh?ngt und weggenommen, was an Bargeld vorgefunden ward. Um L?rm und Protest kümmerte sich die Kommission nicht weiter, die Leute sollen nur schimpfen, ihr Geld wanderte in die fürstlichen Kassen, das war zun?chst die Hauptsache.

Lueger befand sich im sch?nsten Fahrwasser und griff auch alsbald in die Rechte des Adels ein, indem er zu inventarisieren begann. Eines der wenigen Rechte, welche Erzbischof Johann Jakob dem Adel noch übrig gelassen hatte, bestand darin, da? die Adeligen allein die Verla?enschaft ihrer Grundholden zu inventarisieren und darüber zu verfügen hatten. Lueger und Riz nahm aber auch dieses Recht im Namen des Fürsten hinweg, was natürlich den Adel erbittern mu?te. Die Hofkammer schickte dann die sch?rfsten Befehle zu Inventarisierungen ins Land hinaus, besonders an die Pfleger des Pinzgaues, welcher Landesteil im Steuerzahlen immer etwas s?umig und in Bezug auf Religion mehr auf der lutherischen Seite war.

Der erste eingelaufene Bericht lie? erkennen, da? F?lschungen in den Verm?gensangaben in gr??erem Umfange vorgekommen sein mu?ten, der Pfleger hatte dazugeschrieben, da? man amtlicherseits mit den Bergbauern nicht mehr auszukommen wisse und die Hofkammer gut thun würde, wenn sie die Inventarisierungen selbst vornehme. Sofort erstattete Lueger hierüber Meldung beim Fürsten und sprach den Verdacht aus, da? die Pfleger wohl nicht ohne Mitschuld an den F?lschungen sein dürften. Das hei?e Blut Wolf Dietrichs wallte auf, sein zorniger Befehl lautete auf Untersuchung, Lueger und Riz wurden beauftragt in den Pinzgau zu reisen und mit rücksichtsloser Sch?rfe gegen die Betrüger vorzugehen.

Dieser Befehl deckte die Kommissare und nahm von ihnen die Verantwortung, Lueger und Riz k?nnen schalten und walten nach Gutdünken, die Schuld f?llt auf den Gebieter, falls die Kommissionsreise übel ausgeht, die Bauern rebellieren sollten.

* * * * *

Dem alten Schlosse Kaprun, das den Ausgang des herbsch?nen Kapruner Tauernthales beherrscht und einen entzückenden Blick auf die Fluren und Berge Pinzgaus bietet, so ritt der greise Pfleger Kaspar Vogel von Zell auf einem derbknochigen Pinzgauer Rosse langsam, nachdenklich, wie betrübt. Der seit reichlich drei?ig Jahren den salzburgischen Landesfürsten und Erzbisch?fen dienende Beamte geno? bei der Bev?lkerung der Bergwelt des Pinzgaues gro?es Vertrauen, und auch zu Salzburg wu?ten h?here fürstliche Beamte den pflichttreuen Pfleger zu sch?tzen. Bei Hof kannte man den greisen Kaspar Vogel allerdings nicht, denn der Zeller Pfleger kam oft jahrelang nicht in die Bischofstadt, und wenn er je in dringlichen Amtsgesch?ften nach Salzburg mu?te, so ward der Dienst immer schnell erledigt und sogleich die Heimreise angetreten. Der würdige Greis fühlte sich in Salzburgs engen Gassen und Mauern nicht wohl, er war zu sehr an die Bergwelt gew?hnt und nahm willig alle Entbehrungen hin, die ein st?ndiger Aufenthalt im Pinzgau mit sich bringt. Weib und Kinder h?tten wohl manchmal Luft verspürt, all' die m?rchenhaft gepriesenen Hoffeste zu Salzburg zu sehen, doch der alte Pfleger litt dergleichen Ausflüge nicht und erkl?rte, da? ein Humpen guten Weines viel sch?ner und zutr?glicher sei, als salzburgisches Possenspiel. Ohne ein veritabler Trinker zu sein, hielt Vogel viel auf ein vollgeaicht Viertel Weines, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Mancher Ritt in Amtsangelegenheiten tief hinein in unwirtliche Th?ler zu Ein?dbauern brachte ohnehin Abbruch am gewohnten Weingenu?, und solche Entbehrung that dem alten Pfleger weher denn etwa die k?rperlichen Strapazen.

Warm schien die Sonne an diesem Junitage herab, als Kaspar Vogel auf seinem Braunen ins Kapruner Thal einbog. Der erste Blick galt dem alten Gem?uer der Burg, dann aber sah der Pfleger aufmerksam zum Dorfe Kaprun hinüber, und beim Anblick einer gr??eren Menge von Bergbauern flüsterte Vogel: ?Dacht' ich's doch! Also auch die Kapruner stehen auf wie die Mittersiller! Es wird ein Kreuz werden mit dieser Steuer!"

Entschlossen wohl wie immer die Pflicht zu erfüllen, ritt der greise Pfleger nun in lebhafterer Gangart dem Schlosse zu, wo Amtstag abgehalten werden sollte. Sein Erscheinen mu?te bemerkt worden sein, denn die Bauern begannen zu laufen, der Haufen Leute bewegte sich schreiend dem Schlosse zu, das die Bauern gleichzeitig mit dem Reiter erreichten.

Vogel rief den ungeduldigen Bauern zu: ?Nur Zeit lassen, M?nner! Alles hat seine Zeit! La?t mich nur mein Ro? versorgen, und mir g?nnt einen Schluck vorher!"

Ein st?mmiger ?lterer Gebirgler, Namens Rieder, trat vor, nahm den Hut ab und erwiderte: ?Mit Vergunst, Pfleger, wohl wohl! Aber Eil' thut not!"

?Wirst es wohl erwarten k?nnen, Rieder!" gab Vogel zur Antwort und stieg flinker, als man es dem alten Manne zutrauen mochte, vom Pferde. Ein Knecht vom Schlosse kam hinzu und führte den Braunen in den Stall.

Die Bauern wagten in Gegenwart des Pflegers nicht zu l?rmen, aber ihre Ungeduld und Erregung gab sich in einem Murmeln kund, das Vogel ganz richtig in Verbindung mit den aufregenden Nachrichten von dem scharfen Vorgehen der fürstlichen Steuerkommission im Lande brachte. Die in ihrer ganzen Existenz schwer bedrohten, aufgerüttelte Leute in Angst und schwerer Sorge nun hinzuhalten, brachte der joviale alte Beamte nicht über das Herz, lieber verzichtet er auf den st?rkenden Trunk und nimmt das Anliegen der Bauern vor. Zu dem R?delsführer gewendet, sprach der Pfleger: ?Nun, Rieder, red'! Ich will Euch gleich hier im Burghof h?ren!"

Die Bauern umringten den Beamten wie ihren Sprecher, Kopf an Kopf standen sie dicht im Kreise. Rieder begann sogleich: ?Mit Verlaub! Es ist ein Teufel wie der ander, der Riz wie der Lueger, bei uns herinnen ist's der Riz, der die Bauern schindet und alles aufhocht (d.h. die Abgaben erh?ht). So viel wert ist kein Geh?ft und kein Grund, wir müssen verderben dabei, selle neu eingeschatzte Steuer k?nnen wir nicht erschwingen!"

?So ist es!" riefen die erregten Bauern.

Und Rieder sprach in gro?er Beweglichkeit weiter: ?Wir müssen supplizieren! Wir begehren einen Brief (eine Verbriefung der alten Rechte) ehnder (bevor) der Riz kommt und der Pfleger mu? nun helfen, sonst ist's g'fehlt!"

Tiefernst blickte Vogel, der die Gefahr der Bewegung im Bergvolk genau erkannte, und langsam sprach er: ?Wegen dem Supplizieren kann ich Euch nichts sagen. Schon zu Zell sind die Bürgermeister von den Landgemeinden bei mir gewesen und haben gleichfalls um Verbriefung gebeten. Das ist ja ganz in der Ordnung: Wer ein Anliegen hat, soll mit dem Pfleger reden. Ich kann aber, es thut mir selber leid, nichts in der Sache thun."

Rieder unterbrach den Beamten: ?Dann ist's g'fehlt! Wir supplizieren zum

Fürsten!"

Vogel erwiderte in seiner bed?chtigen Art: ?übereilt nichts! Der Herr

Riz wird demn?chst schon wegen der Urbarsbeschreibung gegen Mittersill,

und wenn er daselbst gerichtet, alsdann in das Gericht Zell kommen.

Vielleicht wird es doch nicht so schlimm, als Ihr befürchtet!"

Erregt schrie Rieder: ?Wer da noch hofft, verliert die eigene Haut! Kommt der Riz und f?ngt er zu richten an, ist's g'fehlt und wir sind verloren! Soweit dürfen wir's nicht kommen lassen! Manner, ich hoff', es kommt was drunter, ich hoff', seller Steuerteufel findet den Weg nicht in unser Gericht!"

Besorgt, erschreckt rief der Pfleger: ?Leut', seid gescheit! Die Sach'

ist gef?hrlich, sie kann Euch noch mehr als Hab' und Gut kosten!

Gerichtet wird überall auf neue Weis', es wird bei uns, im Zeller

Gericht keine Ausnahm' gemacht werden k?nnen!"

?Ein schlechter Trost! Hilft uns der Pfleger nicht, so helfen wir uns selber! Den Teufel lassen wir gleich gar nicht herein, und mit uns supplizieren noch mehrere Gerichte! Sell' wird der Erzbischof schon dann merken!"

Nochmals mahnte Vogel: ?Nehmt Vernunft an, Leute! Ich rat' Euch nicht dazu, Ihr werdet schlechten Bescheid bekommen! Wie die Sachen liegen, wird die Supplikation für Rebellion angesehen, Ihr für rebellisch gehalten werden!"

?Sell' sollen sie halten, wie sie wollen! Wir vom Volk haben ein Recht, den Landesherrn um Genade zu bitten, und selles Recht darf uns der Steuerteufel nicht verkümmern!"

In seiner Sorge rief Vogel, ohne viel zu überlegen: ?So reicht das

Gesuch ein, aber in aller Demut! Der Fürst vertr?gt kein ander Wort!"

Die Bauern drangen nun in den Pfleger, auf da? er ihnen ein solches Gesuch aufsetze, und Rieder versicherte auf das bestimmteste, da? noch andere Gerichte sich zum Anschlu? an die Zeller Bittschrift bereit erkl?rt h?tten.

Der Pfleger verlor die Ruhe, ihm schwante Unheil, da er die Auffassung der Hofkammer wie der Steuerkommission aus dem schriftlichen Verkehr sehr wohl kannte und wu?te, wie schlimm die kleinste Weigerung, der leiseste Versuch einer Renitenz schon kriminell beahndet zu werden pflegte. In seiner Bestürzung rief Vogel den rabiaten Bauern zu: ?Ich will Euch wohl helfen, Ihr dürft aber nichts sagen, da? ich euch zur demütigen Supplikation geraten!"

Aus der Menge gr?hlte ein besonders Unzufriedener: ?Selle Demut nutzt uns nixen und die Supplikatur auch nixen! Hauen wir selle Kommission durchs Landl au?i, sie vergi?t aftn (hernach) schon das Wiederkommen!"

Dieser Meinung schienen noch mehr Bauern zu sein, die den Hetzer lebhaft akklamierten und brüllten: ?Z'ammhauen, totschlagen die Bauernschinder!"

Vergeblich suchte der Pfleger mit seiner Stimme im Gewirr durchzudringen und zu beruhigen. Die Mehrzahl tobte und zeterte, ja es fielen Worte, die sogar den alten, ehrlichen Beamten verd?chtigten der Mitschuld an der Bauernvernichtung und des Einverst?ndnisses mit der Steuerkommission.

Rieder forderte Ruhe, und den Moment eintretender Stille benützte Pfleger Vogel, um mit tiefbewegter Stimme zu rufen: ?Habt Ihr das Vertrauen zum alten Pfleger verloren, der Euren V?tern schon Freund und Helfer gewesen, gut, schlagt mich nur gleich nieder! Der trete vor und steh' Aug' in Aug' zu mir, der mich unehrlich nennen kann! Als Pfleger mu? ich Ordnung schaffen und halten, der Fürst und Erzbischof ist mein Herr, seiner Regierung Befehle mu? ich, der Pfleger, vollziehen. Bis zu dieser Stund' bin ich dabei doch der Freund und Helfer der Bauern gewesen! So weh mir ist, der Kommission kann und darf ich mich nicht widersetzen, und die Bauern auch nicht! Der Fürst hat befohlen, er ist unser Herr!"

Rieder schrie dazwischen: ?Der kann auch zum Teufel gejagt werden! Ein geldgieriger Verschwender ist er, der W?lfen Dieter! Derweil er mit Weibern das Geld verjubelt, müssen wir verhungern!"

?Schlagt ihn tot! Nieder mit der ganzen Bande!" gr?hlten die Rabiaten.

In tiefster Betrübnis lie? Vogel das wei?haarige Haupt sinken; steht es so weit, dann ist an offener Rebellion nicht mehr zu zweifeln. Wehe dem Volk, wenn die Kommission von solcher Stimmung und dem Hasse Kenntnis erh?lt.

Die wilderregten Bauern begannen abzuziehen, gr?hlend schritten sie durch den Burghof den Weg zum Dorf hinab. Nur Rieder blieb noch einen Augenblick beim Pfleger stehen und fragte, wenn er die Schrift haben k?nne.

Wehmütig sprach Vogel: ?Das nützt nun alles nichts mehr! Der Stein ist im Rollen, das Unglück nimmt seinen Lauf!"

?So steht Ihr um in der Stunde der gr??ten Gefahr? Das sollt Ihr bü?en,

Pfleger! Gehen wir zu Grund, Ihr mü?t mit! Aber erst sollen die Teufeln

Pinzgauer F?uste kennen lernen!"

Und weg schritt Rieder, der sonst besonnene Mann, schimpfend und fluchend.

?chzend vor Weh und Sorge trat Vogel ins Schlo? und nahm in dem Gemach, das er auf Dienstreisen stets bewohnte, Aufenthalt.

Lange sann der Pfleger nach, was in dieser schlimmen, gef?hrlichen Zeit zu thun sei. Da? der am Leben schwer bedrohten Kommission eine Warnung vor dem Betreten des Zeller Gerichtes zugemittelt werden müsse, erachtete Vogel als notwendig, doch ist auch solche Warnung gef?hrlich, weil m?glicherweise die Kommissionsherren sie falsch auffassen k?nnten, gewisserma?en als Mittel zur Abschreckung, andernteils aber ein Bote von den Rebellen aufgefangen werden k?nnte, was dem Pfleger wie dem Boten das Leben kosten kann.

Je mehr der treue Beamte nachdachte, desto mehr reifte der Entschlu?, das Wagnis selbst zu vollbringen, zur Kommission, die mutma?lich in Tagesrittn?he sein dürfte, zu eilen und den Rat Riz zu warnen. Vogel nahm schnell einen Schluck Weines und lie? den Braunen satteln. Von einer Amtshandlung nach altem Brauch kann keine Rede mehr sein, die Bauern h?ren ja nicht mehr auf die Beh?rde, jegliche Autorit?t ist vernichtet, die Rebellion herrscht im Pinzgau.

In der Meinung, die Herren der schwer bedrohten Kommission in Mittersill zu treffen, ritt Vogel am Abend das Salzachthal aufw?rts und erreichte diesen Ort zur Nachtzeit. Die gesuchten Herren waren nicht in Mittersill. Am scheuen, mi?trauischen Verhalten konnte der greise Beamte erkennen, da? der Geist des Aufruhrs auch hier schon um sich gegriffen hat.

Vogel übernachtete im Schlo? zu Mittersill und ritt am n?chsten

Vormittag wieder nach Kaprun, in dessen Burg er zu seiner gr??ten

überraschung fürstliche Landsknechte unter dem Befehl eines Leutnants

Kaiser vorfand.

Kaum aus dem Sattel gestiegen, kündigte der herbeigeholte Offizier dem Pfleger die Verhaftung an, und Vogel ward im altgewohnten Gemach gefangen gesetzt. Aus dem Munde des Offiziers erhielt Vogel die Mitteilung, da? die Kommission vom Aufruhr der Pinzgauer Bauern rechtzeitig Kenntnis bekommen und Hilfe vom Fürsten verlangt habe. An 150 Mann Landsknechte und bewehrte Bürger seien unter Führung des Obersten Walter zu Waltersweil in Eilm?rschen über Werfen in den Pinzgau gerückt. Der Leutnant habe in Bruck den Befehl zur Sistierung des Zeller Pflegers erhalten und unterwegs von dessen Aufenthalt im Schlo? Kaprun erfahren. Weitere Auskunft wu?te der Offizier nicht zu geben, auch nicht zu sagen, weshalb die Verhaftung erfolgt sei und wie lange die Haft dauern werde.

Sorge wegen seines Schicksals empfand der Pfleger nicht, aber der Gedanke an die Bauern und ihr Geschick unter den H?nden der Soldateska erfüllte ihn mit Angst.

In Zell am See, dem stillen Ort, sollte sich das Drama der

Bauernrebellion und des Einschreitens bewaffneter Macht abspielen.

Obrist Waltersweil hatte vom erbitterten Fürsten den Befehl zur rücksichtslosen Niederwerfung der Rebellion empfangen, und der Soldatenführer ging dementsprechend vor. Trabanten und Landsknechte begannen eine Menschenjagd und fingen die flüchtigen Bauern gleich Hunden ein. Ein Befehl des Obristen zitierte die gesamte m?nnliche Bev?lkerung auf den Marktplatz vor dem Pfleggericht in Zell, wohin alle M?nner, so sie nicht freiwillig erschienen, zwangsweise geschleppt und von der Soldateska dicht umringt wurden. Ein Entweichen machte der Wald von Spie?en im Kreise zur Unm?glichkeit. Der Obrist zu Ro? hielt an die eingefangene Rebellenmenge eine grimmige Anrede, hielt den Bauern ihr sch?ndlich Verhalten vor und kündigte schwere Strafe an Leib und Leben an, so die Leute nicht allsogleich dem gn?digen Fürsten Treu und Glauben schw?ren und unterm Eid geloben, fortan ihres unbefugten Vorhabens abzustehen, gehorsam die auferlegten Steuern zu bezahlen und jegliche Wehr und Waffen abzuliefern, wasma?en schon der Besitz von Waffen mit fünfzig Gulden pro Kopf gep?nt werde. Wer im Geheimb offenbare, da? ein anderer ein Wehr und Waffe verhalte, dem solle eine Belohnung von achtzig Gulden versprochen sein.

In der Angst vor der Hinrichtung durch das Schwert leistete Mann für Mann der gefangenen Bauern den verlangten Eid, die neue Huldigung erfolgte unter solchem milit?rischen Zwang, worauf der Obrist befahl, die Bauernkerle und unverbesserlichen Rebellen mit Stricken zu binden und nach Salzburg zur Aburteilung zu treiben.

Schreie der Angst, der Wut ert?nten; Weiber, Mütter und T?chter zeterten. Rücksichtslos trieben die Spie?knechte das Volk von dannen.

Die Bauern wurden gefesselt und truppweise, ohne Verpflegung, auf der

Stra?e über Werfen, Hallein nach Salzburg transportiert.

Wer von Salzburgs Bev?lkerung diese kriegsm??ige Exkursion mitgemacht, hatte pro Mann drei Gulden bar und ganze Verpflegung bekommen. Die Waffen mu?ten nach erfolgter Heimkehr wieder an das fürstliche Zeughaus abgeliefert werden.

Die Rebellen wurden in der Veste interniert und alsdann prozessiert. Der gr??te Teil wurde wieder entlassen, nur sieben der R?delsführer blieben für lange Zeit im Gef?ngnis, drei der obersten Rebellen fanden den Tod durch das Schwert.

Nach Kaprun war der Befehl ergangen, es solle der Pfleger Vogel sich auf Ehrenwort in Salzburg zur Vernehmung stellen. Demgem?? lie? der Leutnant seinen H?ftling frei, der sogleich gehorsam in die Hauptstadt sich begab und beim Vizekanzler meldete. Nach drei Tagen erfolgte die zwangsweise überführung Vogels durch den Profo?en und zwei Schützen in die Festung Hohensalzburg.

Die weiteren Erlebnisse des Pflegers Vogel schildert dieser selbst in einem teilweise erhalten gebliebenen Tagebuche[10] folgenderma?en:

?Mittwoch, Donnerstag und Freitag, 28. 29. 30. Juni, auch Samstag 1.

Juli ist besonderes nichts vorgekommen.

Am Sonntag nach Petri und Pauli den 2. Juli sind die ins Gebürg

Verordnete sammt den Gefangenen zu Morgens um 9 Uhr auf dem Schlosse

ankommen.

Am Donnerstag den 13. Juli bin ich und die andern Gefangenen examinirt worden und ich bin des Abends da ich vorher 16 Tage im Caplan-Zimmer zu brachte, das bei Tag nicht versperrt gewesen, ins Hausperger-Zimmer geschafft worden. Gott schicke es bald zur Erledigung.

Ist an dato 16. Juli der 25. Tag, da? ich von zu hause fort bin, darunter im Schlosse gefangen 19 Tage, habe au?er des letzten alle Tage 1 Viertel Wein gehabt, thuet 18 Viertel. Montag 17. Juli leider 1 Viertel, 18. detto mehr 1 Viertel, 19. keinen Wein, 20. 1 Ma? Wein, 21. 1 Halbe, 22. Juli 1 Ma? Wein, 23. detto 1 Ma? Wein, ist die Flaschen nicht viel mehr als halbvoll Wein gewest. Donnerstag 27. Juli 1 Ma? Wein, diesen Tag ist auf Befehl Ihrer hochfürstl. Gnaden durch die Herren Commissarii mir anzeigt worden, da? Ihr hochfürstl. Gnaden genügsamen Bericht habe, da? ich nicht allein der Unterthanen Vorhaben durch den Guthundt erinnert worden, sondern den Unterthanen zum Suppliciren selbst gerathen: Sie mü?ten nur mehr Gerichte an sich ziehen, sonst würde es kein Ansehen haben. Ihre hochfürstl. Gnaden h?tten Ursach auf voriges Verl?ugnen der Sch?rfe nach zu verfahren. Und dann Gott behüthe einen jeden frommen Menschen. Se. Gnaden wollen aber meines Alters verschonen, solle demnach, wie es sich Alles verloffen und was mir dieser Sachen halber bewu?t sei, selbst beschreiben und die Wahrheit anzeigen, solches den Herrn Commiss?ren zustellen, sei die Gnade noch unverschlossen, wo nicht, so wollen mich Ihr hochfürstl. Gnaden mein Leben lang auf dem Schlo? sitzen lassen und meinen Kindern Gerhaben[11] verordnen. Ich solle gegen die Unterthanen vermeldet haben, sie sollen nicht sagen, da? ich Ihnen gerathen, da ich nichts gestehen würde. Also ist Ihrer hochfürstl. Gnaden Bericht.

Freitag den 28. Juli keinen Wein. Samstag 29. Juli 1 Ma? Wein, Sonntag 30. detto 1 Viertel Wein, bisher gefangen 33 Tage. Gott schicke es zum Ende.

Mittwoch 9. August l Ma?. An diesem Tage den Herrn Commissarien meine Schrift überschickt. Ist diese Nacht, da ich doch zuvor das Wenigste nichts geh?rt, in meinem Zimmer ungestüm gewesen, hat einen ungew?hnlichen Fall bei meinem Bett gethan, Gott verleihe mir Gnade.

Am Donnerstag ist St. Lorenztag den 10. August 1 Viertel.

Freitag 1 Ma?. An diesem Tag haben mir die Herren Commissarii aus Ihr hochfürstl. Gnaden Zimmer Bethschnüre[12] heruntergeschickt, welche ich Ihnen den 12. dieses wieder zurückstellen lassen.

Freitag 18. dieses 1 Ma?, fast betrübt. Mein Pathe, der Jacob Riedl

schickt mir 2 Viertel Wein. Sonntag den 20. dieses keinen Wein.

Montag 21. dieses keinen Wein, ist die Schwalbe, so hinvor zwei Sitz

im Zimmer gehabt, ausblieben.

Freitag 1 Ma? Muskateller und gute Vertr?stung baldiger Erledigung.

Gott schicke es, da? mit Glück erfolge.

Sonntag den 27. dieses 1 Viertel, ist meine Schwalbe wieder

ausgeblieben.

Donnerstag 31. August bin ich abermals examinirt worden.

Kann mich nicht erinnern, da? ich die Unterthanen zum Suppliciren angewiesen und angelernt, wie sie es sollen angreifen oder wegen meiner Urbargüter gethan haben sollen.

22 September 1 Ma? Wein. Gott erbarme sich und wende meine Betrübni?. Des Abends bin ich in den Thurm gelegt worden, O Herr Gott hilf mir bald mit Glück wieder daraus.

(Es folgen Tag für Tag Notizen über erhaltenen Wein und Branntwein.)

Donnerstag 12. October 1 Ma? Wein, Keuchen[13] ausgekehrt.

Montag 23., Dienstag den 24. October 1 Ma?, diese beiden Tage bei der Strenge examinirt, habe bekannt, da? ich nicht allein der Unterthanen Suppliciren l?ngst zeitlich gewu?t, dessen durch den Carl Rieder, Guthundt und andere, die mir abgefallen, bericht worden, sondern Ihnen darzu gerathen und da? sie andere Gericht, damit sie nicht für Aufwiegler gehalten worden, an sich nehmen sollen. Mittwoch in einem Krug Meth, als 1 Ma? Wein. Mehr ein Ma? Muskateller. Eodem die habe ich meine gestrige Aussag gethan, so mir wieder vorgehalten worden, unterschrieben.

Donnerstag den 26. dieses 1/2 M??l Branntwein, sonst keinen Wein.

Freitag 1 Viertel Wein. Eodem die bin ich im Zimmer auf etliche, ich

hatte ohngefehr fünfundzwanzig, Artikel der angelegten Steuer und

Urbarsbeschreibung examinirt worden.

Sonntag 29. October 1/4 Wein, bin nun 38 1/2 Tage am Thurme gelegen und diesen Tag hat man mich in ein Stübel im Pfaffenthurm gethan, Gott verleihe bald glückselige Erledigung.

Dienstag den 31. October bin ich mehr vor den

Herren Commiss?ren gewesen und was ich den 22. und 24. October

ausgesagt, unterschrieben.

Samstag den 4. November, diese Nacht ist der Hosprofo? im Zimmer

gelegen.

Dienstag den 7. November, daran ich das Hochwürdige Sacrament

empfangen."

Des Pflegers Tagebuch endet mit diesem Tage. Wie dem Gefangenen zu Mut gewesen, wie scharf er die Situation durch das Erscheinen des Hosprofo?en und dessen N?chtigung im gleichen Zimmer erfa?te, geht aus den erhalten gebliebenen Abschiedsbriefen in erschütternder Weise hervor.

?Herr Ehinger.

Freundlicher herzlieber Vater und Frau Mutter lasset Alles flei?ig zahlen, man ist euch viel für mich schuldig und danke auch Gott aller Zuthaten. Befehle alle dem lieben Gott, bitte was ich wider euch gethan, durch Gottes Willen um Verzeihung und nehme hiemit herzlich Urlaub."

?Lieber Herr Schwager Zechentuer, ich nehme hiemit von euch und euerer Hausfrau, meinen Kindern eurem Vater und sonst allen meniglich treulich Urlaub, habe ich was euch oder anderen zuwider gethan, bitte ich durch Gottes Willen um christliche Verzeihung, auch da? ihr euch die Holzwerkssachen und von dannen herrührenden Rechnungen zu meiner Hausfrau und Kinder Besten wollet angelegen, auch in allen mein liebes Weib und Kinder besohlen sein lassen, Gott wird es vergelten, ich mu? sterben, ich mu? mich dazu richten, Gott verleihe mir ein gn?diges und geduldiges, und wie ich ohne Zweifel hoffe und glaube, am jüngsten Tage mit allen christgl?ubigen Seelen eine freudenreiche Auferstehung zum ewigen Leben. Amen. Amen. Amen."

?Bitteres Scheiden von meinen lieben Weib und Kindern, auch eurer Hausfrau, Vater und andere meine liebe Herren und Freunde. Gott ist ein Erkenner aller Menschenherzen, der wei?, ob ich recht oder unrecht um das Leben gebracht werde, freundlicher lieber Herr Schwager Zehentner, mir, dann dem Stefan Guthundt und Hansen Keil ist gestern Abends, jeden absonderlich, da? wir morgen früh mit dem Schwert ohne sonderlich Haltung einiges Rechts in der Stille und Geheimni? hingerichtet werden, verlesen worden. Ach Herr Gott verleihe uns Geduld, ein seliges Ende und das ewige Leben. Amen. Behüthe Gott meniglich vor solcher Gefahr, das ist der Lohn meines schier 40j?hrigen vielmehr bei Tag und Nacht ausgestandenen Dienst, Gott sei es geklagt, also beschlossen, die Zeit meines Lebens ist kurz, bin ich guter Hoffnung, es werde mir Niemand mit Grund nichts Unehrbares oder Unredliches nachreden k?nnen, wollet mich defendiren, noch einmal durch Gottes Willen bittend für mein liebes Weib und Kinder werdet die Belohnung bei Gott finden. Actum 7. November, bis auf welche Zeit ich 19 Wochen in gro?en Banden und Bekümmerni? gefangen gewesen und 2 Uhr Nachmittags ist meine letzte Schrift, will sterben wie ein frommer Christ, es kann oder mag nich anders sein. Nehmet von mir meniglich Urlaub, wider wenn ich gethan, bittet, da? mir dieselben verzeihen, ich verzeihe auch meniglich hier im Leben und nach meinem Tode."

Das Ungeheuerliche geschah, der greise Pfleger Kaspar Vogel ward in aller Stille durch das Schwert hingerichtet. Sein Gest?ndnis, den Bauern eine demütige Bittschrift um Steuernachla? angeraten zu haben, ward von den Kommiss?ren schon als crimen angesehen, das sich todeswürdig erwies, da erh?rtet wurde, da? der Ratschlag Vogels gelautet habe, es solle das Gericht Zell zugleich mit anderen Gerichtssprengeln zum Landesfürsten supplizieren.

Dieses auf so schwachen Fü?en stehende Urteil fand die landesherrliche

Best?tigung. Wolf Dietrich wollte der Steuer-Rebellion im Gebirge ein

gewaltsam rasches Ende bereiten und ein Exempel statuieren, das die

Gemüter für immer im Bann halten solle.

Die blutige Bestrafung des Aufstandes rief Entrüstung und Wut hervor, zugleich aber auch Furcht vor dem unbeugsamen Fürsten, es ward im ganzen Lande still.

Die Steuergewaltigen hatten den Sieg erzwungen und konnten nach Willkür einsch?tzen; die Furcht vor blutiger Strafe schüchterte gründlich ein. Wie von der Hofkammer eingesch?tzt, die Steuern dekretiert wurden, zeigt die bittere Bemerkung des Chronisten Steinhauser: ?Man hat auch keinem nichts mehr abgeschrieben, wenn er schon vermeldet hat, da? er ?rmer sei worden; aber wenn er reicher worden ist, so hat er solches allweg in der Steuerzeit anzeigen müssen, hat er anders gewollt, da? seine Verlassenschaft seinen Erben nach seinem Absterben bleibe. Denn man hat nach eines Abwerben alsbald (sein Haus) gesperrt und inventirt und das allerschlechteste und geringste gesch?tzt und in einen Anschlag und Hauptsumma gebracht, welche fast viel gemacht hat."

            
            

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